Thekenwelt - Apéritif pour trois (German Edition)
möchten, um sich von ihr zu verabschieden und die anstehenden Dinge zu regeln, was wir selbstverständlich auch für Sie übernehmen können.“
Biscuit riss sich aus seiner Betäubung und antwortete neutral: „Ich werde mich so bald wie möglich auf den Weg machen. Danke.“ Er räusperte sich und versuchte zu lächeln, obwohl Suicune es nicht sehen konnte, dann legte er auf. Alles war gesagt.
Langsam leerte er das Glas und hielt das brennende Sturmfeuerzeug an seine Zigarette. Er hätte fragen müssen, woran sie gestorben war. Wie hatte er das vergessen können?
Seine Knochen waren wie aus Blei, als er unter der Dusche stand. Er fühlte nichts außer Übelkeit.
Nackt stand er im Schlafzimmer, das Wasser aus seinen Haaren tropfte auf den Boden und er öffnete den Kleiderschrank, um ihm automatisiert Unterwäsche zu entnehmen.
„ Hi.“ Kai blinzelte verschlafen. „Wie spät ist es?“
„ Halb neun.“
„ Musst du irgendwo hin?“
Was sollte er ihm sagen? Meine Mutter ist tot? Und dann? Sich etwa von Kai trösten lassen? Unvorstellbar für Biscuit. „Einmal im Monat besuche ich sonntags meine Mutter. Sie lebt in einer psychiatrischen Einrichtung.“ Biscuit zwang sich zu lächeln, als er Kais seltsamen Blick auf sich spürte. Siehst du? Alles bestens. Ich lächle.
„ Ich wusste nicht, dass deine Mutter in einem Heim lebt, ich weiß eh viel zu wenig über dich … was ist mit deinem Vater?“
Biscuit knöpfte sein Hemd zu. „Er ist vor knapp zehn Jahren gestorben.“
Kai setzte sich auf. „Oh … das tut mir leid. Magst du sie? Deine Mutter meine ich.“
Biscuit fühlte Druck auf seinem Brustkorb, bevor er mit einer Leichtigkeit, die er nicht empfand, antwortete: „Manchmal.“
Kai lächelte. „Dasselbe wie bei mir. Ich mag meine auch manchmal .“ Er betrachtete Biscuits Gesicht im Spiegel. „Du siehst traurig aus.“
„ Ich bin nur ein wenig müde. Gestern war es spät und es ist noch nicht einmal neun.“
„ Sollen wir mitkommen?“
„ Besser nicht.“
Er spürte Kais misstrauischen Blick auf sich.
„Ich werde voraussichtlich heute Nachmittag wieder da sein. Es wäre schön, wenn ihr beide dann hier wärt.“ Biscuit wollte nicht in eine leere Wohnung zurückkehren.
„ Na klar. Wir sind hier.“
Er nahm die gewohnte Autobahnauffahrt, um die üblichen einhundertfünfzig Kilometer zurückzulegen. Biscuit hatte nicht gelogen, als er behauptete einmal monatlich seine Mutter zu besuchen. Nur dieses Mal lebte sie nicht mehr.
Oizys Moody war eine unauffällige, tendenziell schwermütige Person gewesen, bevor die Manien sie in ungeahnte Höhen trieben und die Depressionen sie oft tagelang nicht sprechen ließen. Es gab nichts dazwischen. Befand sie sich oben, steckte sie voller Pläne und risikoreicher Ideen, hielt sich für schlichtweg unschlagbar und brachte sich und ihr Umfeld mühelos in alle nur erdenklichen Schwierigkeiten. Befand ihre Stimmung sich im Keller, war ihre seelische Not so überwältigend und allumfassend,dass sie auf Biscuit wie ein schwarzes Loch wirkte, dem er sich nicht zu nähern wagte, aus Angst, es könne ihn mit Haut und Haaren verschlingen. Er hatte die fröhliche, überdrehte Frau lieber gemocht, als die dunkle, stille, die ihm Angst machte, wenn sie ihm matt lächelnd, unendlich träge, als sei sie aus einer anderen Dimension, in der die Zeit langsamer verstrich, ein Glas hinstellte, in das sie Apfelsaft goss. Jede Bewegung bedeutete eine unendliche Anstrengung für Oizys.
Als Biscuit eingeschult wurde, lag sie im Krankenhaus, eines der Dienstmädchen füllte seine Schultüte. Als sie wiederkam, zitterten ihre Hände und ihr Denken. Sie war fahrig und unkonzentriert, manchmal kaum ansprechbar. Biscuit verstand nicht, was mit ihr nicht stimmte. Man sagte ihm, sie sei krank und er fragte sich, ob er der Grund dafür war. Die Perioden, in denen sie sich um ihn kümmerte, verkürzten sich, die Klinikaufenthalte dauerten länger an.
Aus der Mutter, die für ihn sorgte, wurde ein Mensch, der selber versorgt werden musste. In der Caféteria des Krankenhauses, zwischen all den anderen unheimlichen Patienten, die rauchten und kübelweise Kaffee tranken, saßen sie sonntags zusammen. Sie war nicht verrückt, so wie der Schizophrene am Nebentisch. Sie konnte logisch denken und sah auch keine unsichtbaren Verfolger, aber sie war ungreifbar, ein Besucher aus einer fernen Galaxie, fremd und einsam in dieser Welt. Sediert. Zerbrochen an dem Zuviel und dem
Weitere Kostenlose Bücher