Thekenwelt - Apéritif pour trois (German Edition)
Zuwenig, dass sich ihrer bemächtigte, ohne Oizys die Chance zu geben, einzugreifen.
Biscuit mochte es nicht, wenn sie vergaß, ihn zu fragen, wie es in der Schule ging oder ob er Freunde hatte. Meistens redete sie mit schwerer Zunge mit seinem Vater über ihn, als säße er gar nicht am Tisch. An den Tagen, an denen sie nicht mit ihm sprach, grub er seine Nägel durch den dünnen Hosenstoff in seine Oberschenkel, bis der Schmerz größer war als die grenzenlose Enttäuschung, die in seiner Kehle zu einem Kloß heranwuchs.
In den Zeiten, in denen sie gemeinsam in der kühlen, pedantisch ordentlichen Villa lebten und die Stimmung seiner Mutter es zuließ, sich auf einen anderen Menschen einzulassen, fuhren sie gemeinsam auf den Markt, den Bauernhof, in Forellenzüchtereien und Gemüsescheunen, um das Beste an Nahrungsmitteln zu kaufen, was man finden konnte, um anschließend zu kochen. Oizys kochte ohne Rezept, aber mit Hingabe und Biscuit durfte sich auf einen Stuhl stellen, in die Töpfe gucken, rühren, schnuppern, schneiden und schmecken.
„Was fehlt?“, fragte sie und er riet aufs Geratewohl. Hatte er richtig geraten fügte sie Minze, Senf oder Salz hinzu, je nachdem welches Aroma das Essen vermissen ließ. Oizys hatte keine Bedenken ihrem ruhigen und besonnenen Kind bereits mit vier Jahren ein kleines, sehr scharfes Messer in die Hand zu drücken und ihn vor eine Tomate zu setzen.
„ So, Mama?“, fragte er, wenn er die Tomate in ungleichmäßige Brocken gequetscht hatte und Oizys antwortete: „Genau so! Das machst du perfekt. Nur das Grüne, das musst du abschneiden.“
Und sie zeigte ihm, wie man es machte.
Die Abstände zwischen dieser einträchtigen Nähe wurden größer. Er erinnerte sich, wie sie, kurz bevor sie wieder stationär aufgenommen wurde, Muscheln kaufte und er die merkwürdigen, lebenden Wesen angewidert anschaute.
„ Die sehen fürchterlich aus, aber warte, was wir aus ihnen machen werden.“
Biscuit riss die Augen auf, als er das Muschelfleisch argwöhnisch in den Mund steckte, den angenehm säuerlichen Sud aus Thymian und Lorbeer schmeckte und Oizys ihn glücklich anstrahlte, weil sie aus etwas so Hässlichem, etwas so Großartiges zauberte. Seit diesem Moment hatte er bis heute jedes Essen in den Mund genommen, in der Hoffnung diesen einzigartigen Moment noch einmal zu erleben. Vielleicht war er nur deshalb Koch geworden.
Wenn immer er etwas anstellte oder Probleme in seinem Leben auftauchten, wurde er angehalten, seine Mutter nicht damit zu behelligen. Alles war zu viel für sie; Biscuits gesamte Existenz schien eine Belastung zu sein und er lernte, alle Angelegenheiten mit sich selbst auszumachen. Sein Vater war kein guter Zuhörer, er interessierte sich wenig für Biscuits Gedanken und seine Mutter durfte nicht belästigt werden. Der kleine Biscuit war auf sich gestellt.
Als Oizys innerhalb einer manischen Phase die beiden Ferienhäuser auf Marimba veräußerte, übernahm Nagall Moody die Vormundschaft für seine Frau. Und als die Medikation ihre Persönlichkeit und ihren Verstand immer weiter fraß, suchte er das teuerste Privatheim für psychisch Kranke, mit der besten Reputation für sie aus. Das Leben musste sich normalisieren. Biscuit sollte sich auf die Schule konzentrieren können, unbelastet aufwachsen und Nagall selbst sehnte sich einfach nach Ruhe vor dem Dauerterror, den Oizys verursachte.
So war Biscuit mit einer Mutter aufgewachsen, die ein Mysterium darstellte und er fürchtete sich vor den Besuchssonntagen und der Caféteria und dass sie vielleicht wieder nicht mit ihm sprach.
Sein Vater war kaum zu Hause und die Kindermädchen wechselten regelmäßig, damit sie kein zu enges Verhältnis zu dem kleinen Jungen aufbauten. Nagall Moody hielt es für schädlich, sich auf Menschen außerhalb der Verwandtschaft zu verlassen und sich von ihnen abhängig zu machen. Sein Sohn sollte eines Tages genauso frei von menschlichen Bindungen seine Entscheidungen treffen, wie er selbst. Als Biscuit seinen achtzehnten Geburtstag feierte, schenkte sein Vater ihm das silberne Feuerzeug, auf das er die Worte Trust no one gravieren ließ. So vertraute Biscuit auf sich selber und öffnete kaum einem Menschen sein verschlossenes Herz. Unabhängigkeit war das Label seines Clubs, dessen einziges Mitglied er selbst war.
Biscuit fühlte eine ferne Wehmut, als die kahlen Bäume an ihm vorbeizogen und eine nahe Leere. War er traurig? Musste er traurig sein? Durfte er sagen, er
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