Themba
Feld.«
Ich spüre, dass Nomtha und Mutter noch etwas wissen, wovon ich keine Ahnung habe.
»Wir müssen es Themba sagen, Mama.« Nomtha hat ihren Arm um Mutters Schultern gelegt.
»Es ist so«, beginnt Mutter, »... ich habe Schulden bei Mama Zanele gemacht, weil es im Winter einfach nicht reichte, nicht mal für das Nötigste. Seit ein paar Wochen sparen Nomtha und ich bei jedem Einkauf einen kleinen Betrag und legen das Geld zurück. Wir hatten uns vorgenommen, bis zum Jahresende alles zurückzuzahlen. Aber ohne Arbeit können wir das vergessen und jetzt...«
Ich unterbreche sie: »Ich gehe ab morgen nicht mehr zur Schule, sondern zu der Kreuzung, an der Onkel Luthando früher auf Arbeit gewartet hat. Er ist schon älter, das sieht jeder. Ich bin noch jung und bekomme bestimmt eher mal einen Job.« Ich bin fest entschlossen.
Aber Mutter schüttelt ebenso entschlossen den Kopf. »Niemals! Du und Nomtha, ihr macht erst die Schule fertig. Das ist das Einzige, was ich euch mitgeben kann. Darüber gibt es keine Diskussion!«
»Aber Mama!«, widerspreche ich trotzdem. »Du kannst uns nicht länger allein über Wasser halten. Und außerdem bin ich schon beinahe vierzehn.«
Wie oft werde ich später noch diese Sätze bereuen...
Nur wenige Tage danach ruft Mutter Nomtha und mich ins Haus. »Ich muss euch etwas Wichtiges mitteilen«, erklärt sie. Am Tisch sitzt auch Onkel Luthando, der bereits eingeweiht scheint, aber mit keiner Miene verrät, was nun kommen wird.
»Es gibt einen Ausweg«, sagt sie mit beherrschter Stimme, als auch wir uns hingesetzt haben. »Mama Zanele hat eine Freundin in iKapa, deren Stelle als Putzfrau in einem Hotel ich wahrscheinlich für ein halbes Jahr übernehmen kann. Da verdiene ich in einer Woche drei- oder viermal so viel wie hier in einem Monat.«
Nomtha und ich sind sprachlos. Will Mutter tatsächlich ins ferne iKapa oder Kapstadt, wie die Weißen die südlichste Großstadt von ganz Afrika nennen? Doch nicht etwa ohne uns - völlig allein?
Mutter scheint meine Gedanken lesen zu können: »Ich muss allein gehen, ihr bleibt hier und geht weiter zur Schule. Aber es ist ja nur für ein paar Monate. Ein halbes Jahr ist schnell vorbei.« Als sie noch immer keine Begeisterung in unseren Gesichtern sieht, fügt sie hinzu: »Und stellt euch mal vor - in ein paar Monaten könnte ich so viel verdienen und sogar sparen, dass danach nicht nur die Schulden bezahlt sind, sondern dass ihr wahrscheinlich sogar auf die High School gehen könnt - beide!«
Als wäre die Vorstellung, Mutter allein nach iKapa ziehen zu lassen, nicht schon schlimm genug, meldet sich nun auch noch Onkel Luthando zu Wort: »Ich werde hier auf euch aufpassen, solange eure Mutter weg ist.«
Tief in mir steigt eine grenzenlose Wut auf. Es ist ein Gefühl, das mich an jene Nacht vor meinem dreizehnten Geburtstag erinnert, nur dass ich mich diesmal nicht schlafend stelle, sondern alles hellwach und mit offenen Augen erlebe.
Ich tue so, als wäre Onkel Luthando Luft für mich, und stelle Mutter nur eine einzige Frage: »Hast du ihn darum gebeten?«
»Ja«, sagt sie. Offenbar merkt sie überhaupt nicht, wie sehr sie mich damit verletzt. Nomtha und ich sind alt genug, um auf uns selbst aufzupassen. Oder weiß sie vielleicht nur nicht, wie sie Onkel Luthando jetzt wieder loswerden kann?
Ich springe vom Tisch auf und laufe ohne ein weiteres Wort aus dem Haus.
Hamba kakuhle, Mama
Abschied von Mutter
Tatsächlich dauert es nur noch wenige Tage, bis Mutter alles vorbereitet hat, um nach iKapa aufzubrechen. Mama Zanele hat ihr die Handynummer ihrer Freundin gegeben, die sie anrufen soll, sobald sie am zentralen Bahnhof in der großen Stadt angekommen ist. Beinah sechzehn Stunden soll die Busfahrt dorthin dauern.
»Sie hat gesagt, dass du wahrscheinlich so lange in ihrem Shack wohnen kannst, bis sie alle Familienangelegenheiten geregelt hat und wieder zurückkommt«, erklärt ihr Mama Zanele, die schon ein paarmal in iKapa gewesen ist. »Wenn ich es richtig verstanden habe, wohnt sie irgendwo in einem Township im Süden der Stadt.«
Mutter lässt sich nicht anmerken, ob sie Angst hat vor der großen Stadt oder nicht. Eigentlich hatte Onkel Luthando ihr zugesagt, nun wirklich entweder seinen Koffer oder den Anzug zu verkaufen, um damit die Fahrkarte für den Bus zu bezahlen. Aber er kommt zweimal mit all seinen Sachen aus Mqanduli zurück und meint: »Der Alte am Markt wollte mir einfach nicht genug dafür geben.«
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