Themba
halben Mannschaft persönlich Freundschaft geschlossen. »Die Superstars haben alle mal ganz klein angefangen!«, versichert er immer wieder, und wir glauben ihm das natürlich nur zu gern. Dabei ist Sandla kein Aufschneider. Als Andy ihn fragt, wie dicht er mit seinem Vater am Spielfeldrand gesessen habe, antwortet er ohne Umschweife: »Stehplatz, weit weg ganz oben.«
Andys Vater hält Wort und bringt eine Ladung entrindeter Äste und eine Tüte mit rostfreien Schrauben. »Richtige Holzlatten hatte ich leider nicht mehr«, sagt er bedauernd.
Egal. Sipho und ich graben zwei knapp einen Meter tiefe Löcher für die beiden Pfosten, während die andern zusammen mit Andys Vater die Äste zu einem halbwegs passablen Tor montieren. Am Ende des Tages steht es, wenn auch nicht sonderlich gerade und nicht annähernd den internationalen Maßen entsprechend. Aber es ist das erste Tor mit einer richtigen Querlatte, das endlich unsere wackeligen Steinmarkierungen ersetzen kann.
Als wir uns trennen, beginnt es bereits dunkel zu werden. Ich laufe froh und ausgelassen wie lange nicht mehr nach Hause. Meine bloßen Füße federn geradezu über das feste Gras.
Die Fotos der erfolgreichen jungen Fußballer aus dem Laduma-Heft, unser erstes richtiges Tor, der von allen akzeptierte Name der Lion Strikers und unser immer besser werdendes Spiel - ein paar Wochen lang schwebe ich wie auf Wolken. Schon nach kurzer Zeit ist unsere Mannschaft auf über zwanzig Jungen angewachsen, die sich oft dreimal pro Woche, einige auch öfter, am Tor der Lion Strikers zum Training treffen. Obwohl wir nie offiziell gewählt wurden, sind Ayanda, Andy und ich so etwas wie die Präsidenten geworden, die von den anderen, vor allem den Jüngeren, regelmäßig um Rat gefragt werden.
An den Nachmittagen spielen wir nun nicht mehr einfach drauflos wie früher, sondern bilden in der ersten Stunde drei Gruppen, in denen ganz gezielt bestimmte Fertigkeiten wie Kopfball, Dribbeln und Pässe geübt werden. Erst in der zweiten Stunde spielen wir in Mannschaften gegeneinander. Eigentlich wollten wir, dass auch Sipho einer unserer Präsidenten wird, aber er lehnte ab, ohne zu erklären, warum.
»Vielleicht später mal«, murmelte er. Aber da wir uns immer bei ihm in der Nähe treffen und er sehr beliebt ist, mache ich mir weiter keine Gedanken um seine Entscheidung.
Eine Weile gelingt es mir sogar, vor den Sorgen, die bei uns daheim immer drängender werden, die Augen zu verschließen. Ich bin sicher, dass Nomtha die ganze Zeit weiß, was los ist, aber mir schlicht meine unbeschwerten Nachmittage nicht verderben will. Seit sie zwölf ist, geht sie meist allein Einkäufe machen. Vielleicht kriege ich auch deshalb so lange nicht richtig mit, wie schlimm unsere Lage tatsächlich ist.
Dass es zwischen Mutter und Onkel Luthando wegen der Geldsorgen immer mal wieder zu Spannungen kommt, höre ich nicht nur von Nomtha, sondern erlebe es auch selbst ab und zu mit, halte mich aber bewusst heraus.
Eines Tages, an einem heißen Sommerabend, kommt Mutter noch später als sonst von der Arbeit. Onkel Luthando ist, so vermuten wir, noch auf einen Drink bei Tatomkhulu. Nur Nomtha und ich sind daheim, als Mutter langsam und gebeugt den Pfad zu uns hochkommt. Anfangs vermute ich, dass es einfach die Hitze ist, die sie so erschöpft hat.
»Mama!«, rufe ich und winke ihr zu. Sie hebt den Blick, erwidert jedoch meinen Gruß nicht.
Als sie bei uns angekommen ist, reicht Nomtha ihr schweigend ein Glas Wasser, das sie in einem Zug austrinkt. Dann geht sie ins Haus, lässt sich auf einen Stuhl sinken und bedeckt ihr Gesicht mit beiden Händen. Ganz stumm ist sie, und nur ein leichtes Beben ihrer Schultern verrät, dass sie weint.
Nomtha hat einen Stuhl herangeschoben, sich zu ihr gesetzt und streicht ihr nun sanft über den Rücken, ohne zu reden. Schließlich kramt Mutter umständlich ein Taschentuch hervor und schnäuzt sich laut die Nase. Sie holt tief Atem und sagt dann: »Ich habe heute meine Arbeit auf der Farm verloren.«
»Aber wie ist das denn möglich?«, frage ich erschrocken.
»Ganz einfach. Der Boss hat behauptet, ich sei mehrmals zu spät zur Arbeit gekommen. Eine Vorarbeiterin, der er wahrscheinlich Geld dafür gegeben hat, hat das bestätigt. Damit gilt für mich kein Arbeitsrecht, er hat mich wegen angeblicher Verfehlungen fristlos entlassen.« Nach einer Pause fügt sie bitter hinzu: »Und das nicht heute Morgen, sondern am Abend nach einem langen Tag auf dem
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