Themba
zurück und muss nun ebenfalls lachen. Ich weiß plötzlich, dass ich morgen barfuß zur Schule gehen werde, und was auch immer Mr Makete oder einer der anderen Lehrer sagt, ich werde mich nicht schämen. Irgendwann werde ich schicke braune Lederschuhe mit Löchern haben.
Plötzlich habe ich eine Idee, einfach so, aus heiterem Himmel. Keine Ahnung, was mich draufgebracht hat, aber die Idee ist großartig. Ich drücke Nomtha meine Plastiktüte mit Schulsachen in die Hand und springe übermütig vor ihr in die Luft: »Nimm die für mich mit nach Hause... Ich muss unbedingt sofort zu Sipho - ich hab gerade eine Idee für unseren Fußballverein, die ich ihm auf der Stelle erzählen muss.«
Obwohl wir inzwischen längst nicht mehr nur zu zweit spielen, sondern eine Gruppe von gut zehn Jungen sind, die in der Nähe von Siphos Hütte trainieren, haben wir immer noch keinen richtigen Namen für unseren Verein. Eben ist er mir eingefallen.
»Sipho!«, rufe ich aufgeregt schon unten am Fuß des Hügels, auf dessen Kuppe seine Hütte steht. Darin wohnt er mit seiner kranken Mutter und den drei kleineren Geschwistern. Da es noch immer regnet, bin ich nicht verwundert, dass draußen niemand zu sehen ist. Noch einmal rufe ich seinen Namen, während ich den Hügel hinaufgehe. Eigentlich treffen wir uns immer erst später am Nachmittag mit den anderen, aber ich habe nicht die Geduld, so lange zu warten.
Oben angekommen klopfe ich unser geheimes Zeichen an die Tür. Ich höre, dass drinnen seine kleine Schwester heult, die höchstens zwei ist. Sipho hat uns allen, selbst mir als seinem besten Freund, streng verboten, jemals die Hütte zu betreten, weil seine Mutter das auf keinen Fall will. Ich klopfe noch einmal und schaue auch hinüber zum Schuppen, wo wir uns sonst bei schlechtem Wetter unterstellen, wenn wir unsere Besprechungen haben. Aber auch dort ist niemand zu sehen.
Das Heulen in der Hütte wird lauter. Sicher hat mich die kleine Nosipho inzwischen längst gehört. »Ich bin’s, Themba...«, rufe ich. Von den beiden anderen Geschwistern, dem vierjährigen Jama und dem siebenjährigen Jabu, ist nichts zu hören. Und was ist, wenn die Mutter bewusstlos und außer der Kleinen niemand bei ihr ist? Ich zögere noch einen Moment, dann drücke ich entschlossen die Klinke herunter.
Aber die Holztür ist abgesperrt und bewegt sich keinen Millimeter. Noch einmal rüttle ich an der Klinke und bin kurz davor, die Tür mit meinem Körpergewicht aufzustemmen, als ich vom Fuß des Hügels Siphos zornige Stimme höre: » Bhekela elucangweni, Themba - geh sofort von der Tür weg!« Er hat seine beiden jüngeren Brüder im Schlepptau, die er erst noch hinter sich herzieht, dann aber abschüttelt. So schnell er kann, hastet er zu mir hinauf. »Was fällt dir ein, Themba?«, fährt er mich schwer atmend an. »Du weißt doch, dass bei uns niemand ins Haus darf!«
»Mann, Sipho«, entgegne ich unsicher angesichts dieses Aufstands, der mir völlig übertrieben vorkommt. »Nosipho war da drin am Heulen, und da niemand reagiert hat, dachte ich, dass vielleicht irgendwas passiert ist...«
»Hau ab, Mann!«, ruft er wütend. Einen Moment habe ich den Eindruck, er fängt gleich an zu heulen, aber schließlich bekommt er sich doch wieder unter Kontrolle. Inzwischen sind auch Jama und Jabu den Hügel heraufgestolpert. Der Regen strömt über ihre Gesichter und mischt sich mit dem Rotz, der den beiden aus der Nase läuft.
» Molo Themba«, grüßen sie mich schüchtern.
» Molweni ...«, grüße ich leise zurück.
Dann hat Sipho auch schon mit einem rostigen Schlüssel die Tür geöffnet und schiebt die beiden so durch einen Spalt ins Haus, dass ich nicht mal den kleinsten Blick hineinwerfen kann. Die kleine Nosipho hört augenblicklich auf zu weinen.
» Uyabona, konke kulungile - siehst du, alles in Ordnung«, meint er endlich wieder etwas ruhiger und schüttelt seine Rastafarilocken wie ein nasser Hund. »Kannst du beim Schuppen auf mich warten?«
Ich nicke und sehe, wie er hineingeht und erneut sorgfältig die Tür hinter sich verschließt. Von niemand anderem würde ich mir so etwas gefallen lassen. Bei Sipho ist das anders. Irgendwie verstehe ich ihn. Ich weiß nicht, wie ich das aushalten würde, monatelang allein für eine kranke Mutter zu sorgen, die sich weigert, auch nur einen anderen Menschen zu sehen.
Ich habe Glück und brauche nicht lange allein zu warten. Schon nach ein paar Minuten sehe ich in der Ferne den vertrauten alten
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