Themba
größtmöglicher Betriebsamkeit über unsere angespannten Gefühle hinweg. Mutter bügelt noch einmal ihre beiden Kleider, obwohl sie das schon am Vorabend getan hat. Tatomkhulu hat frische Hühnereier gebracht, die er nun kocht, damit Mutter sie als Reiseproviant mitnehmen kann. Onkel Luthando repariert den Griff seines Lederkoffers, den er ihr erst an diesem Morgen mit viel zu vielen Worten überlässt: »Bitte achte gut auf ihn, Mandi. Er ist ein Familienerbstück. Pass auf, dass du ihn nicht verlierst.«
An Mutters Stelle hätte ich ihn nicht angenommen, sondern wäre lieber mit den zwei Leinensäcken gereist, die sie bereits am Vorabend gepackt hat.
Schließlich ist es Zeit. Nichts kann die bevorstehende Abreise noch aufhalten. Mehrere Nachbarinnen sind gekommen, um Mutter zu verabschieden, die kleinen Kinder winken, und Mama Zanele begleitet uns bis zur Haltestelle der Minibusse an der Kreuzung zur Autostraße. Einer von ihnen wird Mutter nach Umtata bringen, wo sie am frühen Nachmittag in den Überlandbus nach iKapa umsteigen muss. Als wir ankommen, hupt der Fahrer im ersten Bus, denn sein Wagen ist beinah voll, und er will aufbrechen. Die anderen Fahrgäste rücken zusammen, als Mutter zuerst den großen Lederkoffer hineinschiebt und sich dann noch einmal zu uns umdreht. Nomtha umarmt sie, bis der Fahrer erneut zu hupen beginnt. Ich bleibe stocksteif auf der Stelle stehen, aber unsere Blicke treffen sich lange. »Themba...«, sagt sie voller Zärtlichkeit.
Ich will auch etwas sagen, aber ich kriege keinen Ton heraus. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Schließlich klettert sie in den Minibus, und ein anderer Fahrgast knallt die Schiebetür zu, während der Chauffeur bereits Gas gibt. Mama Zanele, Nomtha und Großvater winken, Onkel Luthando und ich stehen nur unbeholfen da. Ich sehe als Letztes, wie sich Mutter noch einmal zu uns umdreht, bevor sie in einer dichten Staubwolke verschwindet, während das Auto in viel zu hohem Tempo die Landstraße hinunterholpert.
Danach macht sich Großvater allein auf den Weg zu seiner Hütte. Mama Zanele will in einem nahen Waldstück frische Kräuter sammeln und Onkel Luthando hat unter den anderen Fahrern einen Bekannten von früher entdeckt und mit ihm ein Gespräch begonnen. Nomtha sagt, dass sie eine Freundin aus ihrer Klasse besuchen will. Es ist, als wolle niemand der Erste sein, der nach Hause kommt, jetzt, wo Mutter nicht mehr da ist.
Ich stehe noch einen Moment unschlüssig herum, als der vertraute Lieferwagen vom alten Farmhaus heranrumpelt. Kurz darauf erkenne ich Andys Mutter hinter dem Steuer. Sie rollt direkt auf mich zu und hält neben mir.
Durch die offene Scheibe fragt sie: »Ist deine Mutter schon weg?« Als ich nicke, sagt sie betrübt: »Ach, wir hatten ihr noch etwas mitgeben wollen für die Reise.« Sie zeigt auf eine große Plastiktüte mit frischem Obst und belegten Broten. »Andy sagte, sie nimmt den Bus am Nachmittag.«
»Er meinte den Bus von Umtata aus, deshalb musste sie hier schon eher aufbrechen«, erkläre ich.
»Na, da kann man nichts machen«, meint sie resignierend, lächelt dann aber doch und fragt: »Habt ihr nachher nicht noch euer Fußballtraining? Richtige Sportler müssen doch auch gut essen... vielleicht magst du die Tüte für dich und deine Freunde mitnehmen?«
Jetzt lächle ich auch. »Das ist sehr nett... ja, stimmt, ein paar von uns haben immer Hunger - mit und ohne Training.«
Mrs Steyn ist ganz anders als der frühere Boss von Mutter, der immer auftritt, als gehöre ihm die Welt. Andys Mutter ist weiß wie er, aber sie ist freundlich. Und niemand von uns hat vergessen, wie Andys Vater uns geholfen hat, ein Fußballtor zu bauen.
Andy ist der erste Mensch, bei dem wir vergessen, welche Hautfarbe er hat. Nicht nur, wenn alles gut läuft, auch wenn wir uns streiten. Als er neulich Ayanda in der Hitze eines Kampfes um den Ball ein Bein gestellt hat, was wirklich unfair war, brüllte ihn Ayanda an: »Du Blödmann, pass endlich auf, wohin du mit deinen Elefantenfüßen trampelst!« Andy schrie zurück: »Dann nimm gefälligst deine Giraffenbeine aus dem Weg, du Idiot!« Als wir dann aber alle meinten: »Das war ein klares Foul, Andy!«, machte er einen Rückzieher. Nach einer Weile reichte er Ayanda sogar die Hand und sagte auf Xhosa: » Uxolo, Ayanda - tut mir Leid.« Ayanda nahm die Hand an, und wir haben weitergespielt, als wäre nichts gewesen.
Bevor Mrs Steyn mir die Tüte aus dem Auto reicht, sagt sie noch: »Andy
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