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Themba

Themba

Titel: Themba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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Lieferwagen an der Kreuzung zum Feldweg halten und Andy herausspringen. Von hier aus kann ich nicht erkennen, ob seine Mutter oder sein Vater den Wagen fährt, aber ich vermute, dass Andy ebenfalls zu früh zum Training kommt, weil er diese Mitfahrgelegenheit genutzt hat, statt beinah eine Stunde von ihrem Farmhaus bis zu Siphos Hütte zu laufen. Bei uns in der Gegend ist Andy inzwischen überall bekannt. Er wird jetzt auch »Andy« gerufen und nicht mehr » umlungu-boy - weißer Junge«, wie am Anfang. Ich winke ihm vom Schuppen aus zu.
    Als er bei mir oben angekommen ist, klopfen wir uns kurz auf die Schulter, wie das unter uns Jungen üblich ist.
    »Ist Sipho nicht da?«, fragt er dann.
    »Noch drin bei seiner Mutter«, antworte ich, sage aber nichts von dem Stress, den wir gerade hatten.
    Andy nickt. Der Regen hat endlich aufgehört, sodass ich Siphos Lederball aus dem Versteck im Schuppen hole, um schon ein bisschen zu kicken, bevor die anderen kommen. Aber Andy stoppt den Ball und hält ihn unter seinem rechten Fuß fest.
    »Ich hab uns was mitgebracht«, sagt er, »von meinem Vater.« Er zieht sein T-Shirt aus der Hose und fummelt etwas umständlich eine in Plastik eingewickelte Zeitung hervor. »Hier.« Er reicht sie mir mit leuchtenden Augen.
    »Hey, die neueste Ausgabe von Laduma«, stimme ich in seine Begeisterung mit ein. Eine der größten Fußballzeitungen Südafrikas. Das letzte Mal habe ich ein Exemplar von Mutter und Nomtha zu Weihnachten bekommen. In jener Ausgabe war ein Mannschaftsfoto der Orlando Pirates, dem Erstliga-Klub aus Soweto. Das Bild hängt seitdem an der Wand über meinem Bett. In dieser Ausgabe fehlt der Mittelteil mit dem Mannschaftsfoto.
    »Mist, das hat mein Vater wohl schon rausgerissen«, ärgert sich Andy.
    Wir hocken uns im Schuppen an einer Stelle, wo es nicht durchgeregnet hat, auf die Erde und blättern Seite für Seite langsam durch. Die Namen aller Klubs der Ersten Liga können wir, ohne nachzudenken, herunterbeten. Und in jedem Heft gibt es Geschichten von jungen Fußballern, die ganz arm angefangen haben und heute an der Spitze stehen. Bevor wir auf der letzten Seite angekommen sind, stoßen Ayanda und sein jüngerer Bruder dazu, die noch nicht so lange bei uns spielen, und schauen uns über die Schulter. Sie haben Zuckerrohr dabei, das sie in mehrere Stücke brechen und unter uns aufteilen.
    »Ich habe eine Idee«, sage ich schließlich, obwohl ich eigentlich noch hatte warten wollen, bis Sipho kommt. »Ich finde, wir brauchen endlich auch einen Namen für unseren Verein. Was haltet ihr von...« Bewusst mache ich eine kleine Pause, um die Spannung zu steigern. »... Lion Strikers?« Erst hatte ich an Lion Pirates gedacht, aber das klang zu sehr, als hätten wir das den Jungs aus Orlando abgeguckt. »Löwenstürmer« passt besser, finde ich, für einen Verein, der aus der Wildnis kommt wie wir.
    »Aber bei uns gibt’s doch gar keine Löwen...«, gibt Ayanda zu bedenken und kaut skeptisch auf seinem Zuckerrohr.
    Keiner von uns hat mitbekommen, dass Sipho während des Gesprächs dazugestoßen ist.
    »Lion Strikers find ich gut, wirklich«, meint er ruhig. Nichts ist ihm mehr anzumerken von seinem Zorn eine halbe Stunde zuvor. Ich ahne, dass er mit seiner klaren Zustimmung eher mir eine Freude machen will, als dass es ihm wirklich um den Namen geht. Egal, ab nun sind wir die Löwen, die über die Hügel von Qunu stürmen …
    Und schon kommt die nächste Idee, diesmal von Andy: »Ich habe meinem Vater erzählt, dass wir gern ein richtiges Tor hätten, und ihn gefragt, ob er uns mit Holz und Schrauben versorgen kann.«
    »Und?« Wir schauen ihn neugierig an. Unsere Abneigung gegen den Torwartposten haben Sipho und ich überwunden, seit wir nicht mehr allein spielen.
    »Er kommt mich später abholen und bringt dann alles mit, was er in seiner Garage finden kann.«
    Begeistert klopfen wir Andy auf die Schulter, als hätte er gerade einen Elfmeter in ein entscheidendes Tor verwandelt. Und dann legen wir los. Mindestens zwei Stunden gibt jeder sein Bestes. Der Jüngste ist Ayandas kleiner Bruder, gerade mal zehn Jahre alt. Er kann zwar noch nicht so schnell und ausdauernd laufen, aber beeindruckend zielgenau schießen. Der Älteste ist Sandla mit fünfzehn - er ist eigentlich gar nicht so ein guter Fußballer, aber dafür hat er in iGoli schon mal die Orlando Pirates in echt spielen sehen und kann darüber so aufregend berichten, als hätte er an diesem einen Nachmittag mit der

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