Themba
kommt heute vielleicht später, weil er meinem Mann noch helfen muss, eine neue Lieferung auszupacken und in die Regale zu sortieren. Aber ich werde ihm sagen, dass ich dich getroffen habe, ja?«
Die Tüte ist viel schwerer, als ich gedacht hatte. Ich winke Mrs Steyn noch einmal zu, bevor sie kehrtmacht und dann mit dem Wagen zurück zur Autostraße rollt.
In wenigen Minuten bin ich zu Hause. Wir haben die Tür nicht abgeschlossen, und als ich sie aufstoße, überfällt mich eine bleierne Traurigkeit. Ohne Mutter wirkt das Haus schrecklich leer. Zwar war sie auch früher tagsüber meist nicht daheim, aber es ist trotzdem verdammt anders, jetzt, wo ich weiß, dass sie vorläufig nicht mehr nach Hause kommen wird - heute Abend nicht, morgen Abend nicht, die ganze Woche nicht und auch nicht im nächsten Monat.
Ich setze die Tüte ab und verstaue sie hinter einem der großen Töpfe, wo sie vor der Sonne sicher ist. Da ich in der Nacht kaum geschlafen habe, lege ich mich für einen Moment der Länge nach auf mein Bett und schließe die Augen. Ich höre noch die Fliegen in der Mittagshitze brummen und falle endlich in einen dumpfen, schweren Schlaf.
Vielleicht habe ich eine, höchstens zwei Stunden geschlafen, als ich mit ausgetrockneter Kehle aufwache. Irgendein Geräusch hat mich geweckt, aber ich brauche ein paar Sekunden, um richtig da zu sein. Jemand ist gegen die Töpfe gestoßen. Mutters Idee, die wichtigen Sachen dort zu verstecken, hat sich bewährt. Ich fahre hoch und reiße die Augen auf. Der Jemand, der sich an der Tüte von Andys Mutter zu schaffen gemacht hat, ist ein großer, schwerer Mann - Onkel Luthando. Bevor ich etwas sagen kann, fährt er mich unfreundlich an: »Woher hast du denn auf einmal das Geld für so viele Einkäufe?«
Jedem anderen hätte ich einfach die Wahrheit gesagt. Hier scheint es mir um eine wichtige Klärung zu gehen, die für die kommende Zeit entscheidend werden könnte. Ich bin nicht bereit, ihn als Boss im Haus zu akzeptieren, schon gar nicht als Ersatzvater. Im besten Fall werden wir einander in Ruhe lassen.
»Das geht dich nichts an, Onkel Luthando«, sage ich und schaue ihm direkt in die Augen.
Er nimmt die Provokation an und setzt umgehend einen drauf: »Solange eure Mutter weg ist, fälle ich hier die Entscheidungen, Themba. Du solltest dir gut überlegen, in welchem Ton du mit mir sprichst.«
Vielleicht hätten wir es fürs Erste bei diesem Schlagabtausch belassen können, aber da merke ich, dass er in seiner rechten Hand eines der Brote von Andys Mutter hält und sogar schon davon abgebissen hat.
»Wer hat dir erlaubt, dich von dem Essen zu bedienen?«, fahre ich ihn an. In diesem Moment weiß ich, dass es nun, kaum ist Mutter weg, bereits zum Kampf kommen wird. Ich habe mir das nicht so gewünscht, aber bin auch nicht bereit, einfach klein beizugeben.
»Bist du verrückt geworden, Themba?«, schreit er nun los. »In diesem Haus haben wir immer geteilt... soll das nun plötzlich nicht mehr so sein?«
»Geteilt nennst du das?«, rufe ich zurück und merke, wie sich meine Stimme überschlägt. »Du hast hier die ganze Zeit bei uns mitgegessen und unsere Mutter hat dafür das Geld rangeschafft!«
Ich weiß, dass ich damit nicht nur einem Älteren widerspreche, sondern noch eine andere wichtige Xhosa-Regel verletze - einen Gast musst du immer gut behandeln und alles, was du hast, mit ihm oder ihr teilen. Aber Onkel Luthando ist schon lange kein Gast mehr. Er hat sich uns aufgedrängt, so habe ich es vom ersten Tag an empfunden. Er hat Mutters Einsamkeit und Sehnsucht nach ihrem vermissten Mann ausgenutzt und keine wirkliche Mitverantwortung für unser gemeinsames Leben hier übernommen. All das sehe ich in diesem Moment in voller Klarheit und suche nur noch nach Worten, um es ihm zu sagen, genau so, hier und jetzt.
Doch bevor ich den Mund aufmachen kann, greift Onkel Luthando erneut in die Tüte und nimmt sich eine Orange und ein weiteres Brot heraus.
»Du denkst schon immer, dass du was Besseres bist«, brummt er schmatzend und droht mir mit der Faust. »Ein Hosenscheißer bist du, ein verzogenes Mamakind mit großer Klappe. Aber damit kommst du bei mir nicht durch. Ich werd dir schon zeigen...«
Ich will nicht hören, was er mir zeigen will, und greife nach der Orange und dem noch in Papier eingewickelten Brot. In letzter Sekunde zieht er die Orange zurück und knallt mir die Hand mit dem Brot mitten ins Gesicht. Ich merke, wie mir Blut aus der Nase läuft, und
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