Themba
seine Mutter bis zu deren Tod gepflegt hat und noch immer allein für seine jüngeren Geschwister sorgt«, sage ich leise. Wenn ich nach drei Monaten fest bei Ajax Cape Town bleiben kann, werde ich Sipho einladen, mit seinen Geschwistern herzukommen.
»Sind die Kinder selbst auch infiziert?«, fragt Nomtha weiter.
»Das ist vertraulich. Wir geben keine Auskünfte über einzelne Kinder, um ihre Rechte zu schützen«, entgegnet Mama Sandiswa. »Manche unserer Kinder sind HIV-positiv, andere nicht. Einige sind bei der Geburt angesteckt worden, da die Mütter keine Medikamente genommen haben oder keine bekommen konnten. Zwei Kinder wurden durch einen Onkel vergewaltigt und dadurch infiziert.«
»Wie kann ein Mann so was nur tun?«, sagt Nomtha empört zu Mama Sandiswa.
Ich schaue weg und hoffe, dass keiner von beiden merkt, wie sehr mein Herz klopft und dass sich Schweißtropfen auf meiner Stirn bilden, wie immer, wenn ich an damals denken muss.
Isigqibo
Die Entscheidung
Sieben Monate später. Ich habe es geschafft.
Frag mich nicht, wie. Ich bin kein Wunderkind. Kein geborener Supersportler. Du weißt es, Andile. Ich bin gerade siebzehn geworden. Und ich spiele gern Fußball - das ist der Kern. Nicht alles, natürlich ist es auch jede Menge harte Arbeit, stundenlanges Training jeden Tag, aber das ist das Wichtigste: dass man etwas gern macht.
» Ihlathi leentonga... ein Wald voller Holz«, würde Tatomkhulu sagen, und das bedeutet: Du hast genug Vorrat an Kraft, wenn du etwas mit ganzem Herzen machst. Als ich noch auf dem Land wohnte, waren die Stunden mit Sipho, Andy und den anderen von den Lion Strikers die schönsten in meinem Leben. Dass ich es fast ganz nach oben schaffen würde, daran habe ich selbst bis zuletzt nicht geglaubt. Dafür haben andere an mich geglaubt: Mr Jacobs (den ich früher wie alle nur Big John nannte), Kevin, mein erster Profitrainer, Nomtha natürlich, Sipho... und seit kurzem auch du, Andile. So viel ist in diesen sieben Monaten geschehen.
Drei Monate, nachdem ich zum ersten Mal im Ikamva -Trainingslager war, kommt Big John, anders als sonst, ohne jede Vorankündigung zu einem Training. Auch Kevin, unser Jugendcoach, hatte vorher keine Ahnung. Er steht einfach so am Spielfeldrand, ganz ruhig und nur ab und zu mit dem berühmten Fernglas vorm Gesicht.
»Der beobachtet dich!«, ruft mir Kevin zu, als ich dicht an ihm vorbeilaufe, um einen Pass abzufangen. Ich lache und bin mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt richtig verstanden habe.
An diesem Nachmittag soll ich zu Big John kommen. Allein.
»Themba«, sagt er, ohne sich lange mit einer Begrüßung aufzuhalten. »Ich will, dass du bei uns bleibst. Du wirst ab jetzt auch bei einigen Trainings meines Teams mitmachen. Und ich möchte, dass du Andile Khumalo kennen lernst.«
»Andile Khumalo?«, wiederhole ich ungläubig. Ich traue meinen Ohren nicht und stehe da mit offenem Mund.
Lach nicht, Andile! Du weißt, wie sehr alle Jungen - die Mädchen sowieso - zu dir aufschauen. Du spielst nicht nur in der Ersten Liga, du bist der absolute Topspieler: Nationalmannschaft, Bafana Bafana , einer der besten Spieler von ganz Südafrika. Wieso sollte ausgerechnet ich die unglaubliche Ehre haben, dich treffen zu dürfen?
Big John geht auf meine pathetische Bewunderung nicht weiter ein, sondern erklärt nüchtern: »Andile hatte einen ähnlichen Stil wie du, als ich ihn vor acht Jahren das erste Mal in East London spielen sah, genauso schnell, genauso treffsicher und damals noch genauso ungehobelt im Aufbau eines Angriffs wie du. Ich kann mich irren, aber ich glaube, er kann dir zeigen, wie er gelernt hat, was er heute kann. Bei Bafana Bafana machen sie es inzwischen genauso wie bei uns: Ein erfahrener Spieler wird eine Art Pate für einen Jüngeren. Du wirst Andile nächste Woche das erste Mal im Newlands Stadion treffen, bei einem Freundschaftsspiel gegen Ghana.«
Inzwischen habe ich nur noch eine Sorge: Dass dies alles nur ein schöner Traum sein könnte, aus dem mich jeden Moment ein kläffender Hund oder ein betrunkener Nachbar aufwecken wird. Aber John Jacobs ist noch nicht fertig: »Du wirst ab nächsten Monat genug Geld verdienen, um irgendwo hier in die Nähe ziehen zu können. Mit der ganzen Fahrerei, von der mir Kevin erzählt hat, geht einfach zu viel Zeit verloren. Unser Jugendhaus kommt für dich nicht mehr infrage, außerdem willst du ja wohl mit deiner Schwester zusammenwohnen, nicht?«
Ich sage kein Wort. Ich brauche meine
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