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Themba

Themba

Titel: Themba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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Busbahnhof spreche ich mehrere Reisende an, die gerade angekommen sind, um zu fragen, ob mich jemand in Richtung Süden mitnehmen kann. Über eine Stunde habe ich kein Glück. Dann endlich treffe ich einen älteren Mann, der aus Simon’s Town kommt und hier Arbeitskollegen mit einem Transporter abholt. Der Weg nach Simon’s Town führt über Fish Hoek.
    »Du kannst hinten auf die Ladefläche klettern«, sagt er und fordert keine Bezahlung.
    Außer mir springen noch sechs oder sieben andere Männer auf, die gerade mit einem Bus aus dem Norden des Landes eingetroffen sind. Obwohl es am Tage richtig heiß war, weht jetzt ein kühler Wind, der immer mehr auffrischt, je näher wir dem Meer kommen. Die anderen Männer ziehen ihre Jacken über den Kopf. Ich habe nur mein T-Shirt an und lege mich so flach wie möglich auf den Boden des offenen Lasters. Nach einer Weile spüre ich vor Kälte meine Finger kaum noch. Das Einzige, was du tun kannst, wenn du zu sehr frierst oder Hunger hast, ist, dich selbst zu betäuben, dich halb tot zu stellen, ähnlich wie die Leguane und Eidechsen es machen. Nach einer Weile nehme ich kaum noch etwas um mich herum wahr. Nur ein einziger Befehl geht von meinem Gehirn an meine erstarrten Finger: festhalten! Nicht locker lassen, sonst tut es bei jedem Schlagloch noch mehr weh! Irgendwann wird es vorbei sein!
    Tatsächlich bremst der Laster nach einer Zeit, deren Dauer ich nicht einschätzen kann. Der Fahrer kurbelt sein Fenster herunter und schreit nach hinten: »Fish Hoek!«
    Ich richte mich mühsam auf und klettere mit steifen Gliedern vom Wagen. Meine Beine versagen und ich falle einfach der Länge nach flach auf den Gehweg. Der Fahrer hat den Motor seines Lasters schon wieder aufheulen lassen und ist durchgestartet. Für einen Moment ist es richtig angenehm, einfach so am Straßenrand zu liegen, ohne das heftige Rumpeln und den eisigen Sturm. Allmählich beginnt das Blut wieder in meinen Armen und Beinen zu pochen. Ab und zu kommen Autos, die in Richtung des Townships fahren, aber niemand hält, als ich meinen Daumen in das Licht der Scheinwerfer halte, nicht um diese späte Zeit.
    Schließlich bleibt mir nur der lange Fußmarsch, noch einmal knapp eine Stunde durch die Nacht. Die letzten zwei Kilometer ziehe ich meine Arbeitsstiefel aus, die schrecklich zu drücken beginnen, und laufe ungeachtet der Kälte barfuß weiter.
    Die meisten Hütten im Township sind dunkel, hier und da kläfft ein Hund. In unserem Teil der Wetlands gibt es keine einzige Straßenlaterne und der Mond ist hinter dichten Wolken verschwunden. Aber inzwischen finde ich den Weg zu unserem Shack 8744 auch blind. Die Tür ist von innen verriegelt.
    »Nomtha?«, rufe ich leise und klopfe ein paarmal gegen das Holz.
    Augenblicklich wird geöffnet und ich kann trotz der Dunkelheit Nomthas erleichtertes Lächeln erkennen: » Bendingalelanga - ich habe nicht geschlafen, Themba. Ich wusste, du würdest noch kommen!«
    Ich vermute, dass sie kein Licht gemacht hat, um Geld zu sparen. Aber jetzt zünde ich eine Kerze an, nachdem wir die Tür wieder sorgfältig verriegelt haben.
    »Ich war noch mal bei Mama«, beginne ich meinen Bericht. »Sie hat geschlafen und war gut versorgt. Nächste Woche können wir auch tagsüber vorbeikommen.«
    Dann öffne ich meine Plastiktüte und gemeinsam stärken wir uns mit frischem Brot, Äpfeln und Orangen. Nomtha sieht auch die Handtücher und das Stück Seife, wartet aber geduldig, bis ich beginne, von meinem Besuch im Trainingslager von Ajax Cape Town zu erzählen. Wie ich mitspielen durfte und am Ende das Topangebot von Big John bekam. Während ich rede, rückt sie immer dichter an mich heran.
    Da uns immer noch kalt ist, rutschen wir hinüber auf Mutters Matratze und ziehen uns die große Decke bis ans Kinn.
    Nomtha lässt mich reden. Sie merkt, dass es mir Freude macht, mehr und mehr Details auszumalen von meinem Nachmittag bei den jungen Fußballern des berühmten Erstliga-Klubs. Ich schildere ihr die Kopfballkunststücke des Jungen mit den langen dunklen Haaren und wie der dicke Junge überhaupt nicht langsam, sondern der absolute Dribbelkönig war.
    Irgendwann komme ich zu der Stelle, an der Big John seine Brieftasche zog. Ich taste in meiner Hosentasche nach dem vielen Geld, das nach den paar Einkäufen immer noch übrig geblieben ist, und krame es stolz unter der Bettdecke hervor, um es Nomtha zu zeigen.
    »Aber ich glaube dir doch!«, sagt sie lachend und will meine Hand zurück

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