Themba
unter die Decke schieben. Nun will ich es ihr aber erst recht zeigen - die zwei Riesen und all die kleineren Scheine und Münzen. So viel Geld! Ich wühle es gegen ihren gespielten Widerstand hervor, halte alles mit gestrecktem Arm über uns und lasse es wie im Märchen auf uns herabregnen. Sie schnappt sich ein paar Münzen, die in ihrem Haar hängen geblieben sind, und wirft sie zu mir zurück. Während ich sie mit einem Arm fest an mich drücke, werfe ich mit der anderen Hand wieder in ihre Richtung. Ausgelassen lachen und toben wir, bis uns tatsächlich warm ist und wir uns ermattet zurückfallen lassen.
Und dann sagt sie plötzlich etwas in mein Ohr, was ich niemals auszusprechen gewagt hätte: » Ndiyakuthanda , Themba... ich liebe dich.«
Einen Moment erstarre ich vor Glück, halte den Atem an und verharre bewegungslos, als könnte ich damit auch die Welt anhalten. In diesem Moment, als Nomthas Lachen noch in meinem Ohr klingt und ihre Worte sanft und tief in meiner Seele nachschwingen, empfinde ich zum ersten Mal seit jener schrecklichen Nacht wieder so etwas wie Glück. Nein, noch nicht Glück, aber die Hoffnung auf Glück. Dass irgendwann alles wieder gut werden kann. Dass alles heilen wird, eines Tages, wenn wir nur lieben können.
Nomtha dreht ihren Kopf zur Seite und zieht die Decke wieder zu sich heran. »Lass uns jetzt schlafen, ja?«, murmelt sie, während sie mir den anderen Teil der Decke zuschiebt. Ihre Stimme klingt müde. Bestimmt ist es lange nach Mitternacht.
» Lala kakuhle, Nomtha - schlaf gut«, flüstere ich zurück und schiebe das obere Ende der Decke bis über ihre Schulter. Im leicht flackernden Kerzenlicht beobachte ich, wie sie noch einmal tief einatmet und erst beim Ausatmen völlig entspannt. Sie vertraut mir. Sie hat mir die ganze Zeit vertraut.
Noch lange schaue ich in ihr Gesicht, mein Blick streicht über ihre geschlossenen Augen, tastet über ihre feinen Wimpern. Schon lange sind wir keine Kinder mehr. Wir werden es schaffen. Ich beuge mich leicht über sie und puste vorsichtig die Kerze aus.
Wir schlafen so tief und ruhig wie in keiner der vielen Nächte zuvor, seit wir in diesem Township angekommen sind.
Die Sonne wirft bereits einen schmalen, aber grellen Strahl durch eine Ritze in der Wand, als wir uns gleichzeitig zu räkeln und aus einer engen Umarmung zu lösen beginnen. Ein kleiner Schatten huscht mehrmals direkt vor unserer Tür vorbei. Ich streife mir eine Hose über und öffne einen Spalt. Unsere kleine Nachbarin Nelisa steht davor und schaut neugierig zu mir auf.
»Geht es eurer Mutter wieder besser?«
»Ja«, versichere ich ihr. »Sie wird gut versorgt, wo sie jetzt ist.«
Und Nelisa fügt hinzu: »Meine Mutter hat nämlich nach ihr gefragt.«
Ob das ein erstes gutes Zeichen ist?
Ich trete einen Schritt vor unser Shack und schaue hinüber zu Nelisas Hütte. Die Sonne blendet, aber als ich die Hand über meine Augen halte, kann ich Nelisas Mutter erkennen, wie sie sich über eine Plastikschüssel mit Wäsche beugt. Sie schaut nun ebenfalls zu mir herüber. Dann hebt sie ihre rechte Hand und winkt. Nelisa nickt mir zu und ich winke ihrer Mutter zurück. Wie gut diese einfache Geste tut. Bisher hat sie uns nicht einmal gegrüßt.
Nomtha rufe ich zu: »Nelisas Mutter hat uns gewunken!«
»Ja«, antwortet Nomtha aus dem Innern. »Sie war es, die mich gestern mitgenommen hat zum Ikayha labantwana gleich hinter der Tagesklinik.«
»Wohin?«
»Zu einem Haus nur für Kinder«, antwortet Nomtha. »Sie hat dort frisches Gemüse geholt. Die Leute haben einen großen Garten und teilen, wenn sie mehr ernten, als sie selbst verbrauchen. Wie bei uns zu Hause in Qunu.«
»Was denn für Kinder?«, frage ich nach. Nomtha scheint um etwas drum herum zu reden.
Anstatt es mir zu erklären, sagt sie: »Ich habe gefragt, ob sie jemanden brauchen können, der im Garten mithilft, gerade jetzt während der Erntezeit. Und sie haben Ja gesagt. Komm, wasch dich und zieh dich an, dann nehm ich dich mit.«
Ich schaue zuerst auf meinen Trainingsplan: Kein Problem, ich muss mich erst gegen Mittag wieder in Parow melden, hat die Sekretärin gesagt. Und das Training für die Jugendmannschaften beginnt um 16 Uhr. Tagsüber wird es nicht so lange dauern, dorthin zu gelangen. Mehr Kopfzerbrechen bereitet mir die Frage, wie wir abends aus Bellville zurück nach Masiphumelele kommen sollen, wenn wir jede zweite Woche tatsächlich nur zur Besuchszeit ab 18 Uhr ins Hospiz dürfen.
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