Themba
Kinderpflege.
»Und dass Menschen mit AIDS nicht zu sterben brauchen, wenn sie rechtzeitig die richtigen Medikamente bekommen«, erklärt sie Sipho.
Ich habe gar nicht gewusst, dass sie bei den Besprechungen mit der betreuenden Ärztin aus der Tagesklinik, die einmal pro Woche gemeinsam mit Sister Princess kommt, dabei sein darf.
Kevin, unser Jugendtrainer, sorgt nach der Überschwemmung dafür, dass Nomtha, Sipho und ich für ein paar Tage in einem leer stehenden Gärtnerhaus neben dem großen Ikamva -Gebäude in Parow unterkommen.
»Bis ihr etwas Eigenes gefunden habt«, sagt er.
Der Wachmann weiß Bescheid und lässt uns auch abends noch auf das Gelände, wenn das Eingangstor bereits abgesperrt ist.
An einem Abend, als es schon spät ist und wir drei uns zum Einschlafen bereits in unsere Decken gerollt haben, fragt Nomtha plötzlich in die Dunkelheit: »Sipho, was ist eigentlich aus unserem Onkel Luthando geworden?«
Mit einem Schlag bin ich wieder hellwach. Natürlich habe ich auch an ihn gedacht, aber um keinen Preis der Welt hätte ich Sipho von selbst nach ihm gefragt.
Sipho dreht sich zu uns auf die Seite, räuspert sich kurz und antwortet dann: »Ich bin nie mehr bei eurer Hütte gewesen. Aber von Mama Zanele weiß ich, dass er seit einiger Zeit immer wieder krank ist und dann tagelang nicht herauskommt. Euer Großvater und er reden kein Wort mehr miteinander. Irgendeiner von seinen Saufkumpanen kommt ab und zu und bringt ihm etwas zu essen vorbei.«
»Dann hat es bei ihm auch begonnen...«, sagt Nomtha. Sie sagt es bitter, ohne jede Schadenfreude.
»AIDS?«, fragt Sipho.
»Ja«, antwortet Nomtha. »Noch so einer, der lieber wartet, bis er tot ist, anstatt sich rechtzeitig testen zu lassen.«
Ich liege stocksteif neben den beiden und kann weder mein wildes Herzklopfen noch den Schweiß auf der Stirn unterdrücken.
»Dieser Schuft hat unsere Mutter angesteckt!«, schreie ich plötzlich so laut, dass sowohl Nomtha als auch Sipho zusammenzucken und sich beide erschrocken zu mir herüberbeugen.
»Mann, Themba«, versucht Sipho, mich zu beruhigen, »daran hatte ich auch schon gedacht, nachdem du mir damals den Brief mit der schlimmen Nachricht…« Dabei streckt er einen Arm nach mir aus.
Ich aber stoße ihn zurück und brülle ihn an: »Nichts weißt du, Sipho, dieses Schwein, dieser elende Kerl... er hat... er hat...«
Ich kann nicht weitersprechen. Meine Stimme versagt, als hätte mir jemand eine Faust in den Rachen gestoßen. Ich würge, mir steigen gegen meinen Willen Tränen in die Augen, und ich presse mir mein Kissen vors Gesicht, damit die beiden meinen Weinkrampf nicht mitbekommen.
Als er langsam abebbt und ich mich erschöpft auf den Rücken rollen lasse, brennt eine Kerze auf dem Tisch. Sipho sitzt auf dem einzigen Stuhl und raucht eine Zigarette. Nomtha hockt dicht neben mir auf dem Holzboden.
»Mann, ich kann dich so gut verstehen...«, brummt Sipho und zieht so heftig an seiner Zigarette, dass die Glut an der Spitze hellrot aufleuchtet. »Wenn ich wüsste, wer unsere Mutter angesteckt hat, könnte ich auch nicht garantieren für das, was ich mit dem machen würde.«
Nomtha sagt nichts. Sie schaut mich nur an. So lange, bis ich meinen Blick senke. Sie hat etwas gemerkt. Sie versteht, dass es noch etwas anderes gibt, was mich quält. Und sie wartet darauf, dass ich ihr die ganze Wahrheit erzähle.
Nur ein paar Tage später bekommen Nomtha und ich über den Fußballklub eine einfache Zweizimmerwohnung am Ende des ewig langen Conradie Drive, dort wo er durch das Boston-Viertel führt. Für uns ist das in vieler Hinsicht ideal, da das Mietshaus bereits in Richtung von Mutters Hospiz in Bellville liegt, ich aber immer noch zu Fuß zu unserer Sporthalle komme und Nomtha zu einem Bahnhof, von dem aus sie nach Fish Hoek fahren kann, auch wenn sie dazu ein paarmal umsteigen muss. Sie hat nun zwar einen längeren Weg, aber sie kann im Kinderhaus zum Glück auch Frühdienst machen und dann nach dem Mittagessen heimkommen oder Mutter besuchen.
Natürlich bieten wir auch Sipho an, mit uns ins Boston-Viertel zu ziehen, aber er möchte vorläufig in Masiphumelele in der Nähe seiner Geschwister bleiben.
Er plant, unser Shack zu übernehmen, will es aber abreißen und an anderer, etwas erhöhter Stelle wieder aufbauen. Sein Geld verdient er wie auch ich anfangs mit Gelegenheitsarbeiten, die er ab und zu an der Straßenkreuzung findet. Geld, das ich ihm anbiete, akzeptiert er nur für seine
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