Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
ich wagte aufzuatmen. Vorsichtig sah ich zu meiner Schwester hinüber.
„Polly“, begann ich, aber sie blickte nur starr vor sich hin. „Ich verstehe, dass du böse auf mich bist, und es tut mir leid! Es tut mir leid, dass ich dir nicht gesagt habe, was damals wirklich passiert ist. Es tut mir leid, dass ich dich alleine von der alten Mühle habe wegreiten lassen. Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, dich zu finden. Es tut mir alles so leid …“, brach es aus mir hervor. Sie reagierte nicht. „Bitte sag doch was. Polly?“ Mein Herz tat so weh, dass ich kaum atmen konnte, doch sie schaute nicht einmal auf. Bedrückt sackte ich wieder in mich zusammen. Wir ritten weiter, ohne ein weiteres Wort zu wechseln.
Plötzlich hörte ich hinter uns ein leises Rascheln und auch Polly fuhr im Sattel herum. Etwa hundert Meter entfernt ritt eine Gestalt, die verharrte, als sie unsere Aufmerksamkeit bemerkte. Eine Welle von Furcht prickelte mir die Wirbelsäule aufwärts und meine Hand tastete sich automatisch zum Revolvergriff vor.
„Hau ab!“, schrie meine Schwester, die Adleräugige Hippolyta, die Mato erkannt hatte, bevor ich überhaupt die Option in Betracht gezogen hatte, dass er uns gefolgt sein könnte. Ihr abrupter, lauter Ausbruch ließ mich zusammenzucken, Mato jedoch blieb stehen, wo er war. „Lass mich in Ruhe! Wenn du uns auch nur einen weiteren Meter folgst, wirst du es bereuen!“ Damit wandte sie sich wieder um und setzte den Weg fort.
Ich starrte ihn noch ein paar Sekunden an, doch er machte keine Anstalten wegzureiten. Eilig schloss ich zu Polly auf und sah zu ihr hinüber. Immerhin hatte jetzt Wut den Platz der vorigen Agonie in ihrem Gesicht eingenommen. Aber sie wirkte auch unglaublich erschöpft.
Ein paar Minuten später wandte ich mich noch einmal um. „Er ist immer noch da“, teilte ich ihr leise mit. Inzwischen war er auf dreißig Meter herangekommen.
Sie ignorierte mich, hielt Selanna unvermittelt an und ließ sich vom Sattel gleiten. Ihre Beine knickten fast ein, als sie den Boden berührten, aber es gelang ihr, sich aufrecht zu halten. Irritiert sah ich ihr nach, als sie den Weg zurückstolperte, den wir gerade gekommen waren.
Mato stieg ebenfalls ab und lief ihr entgegen. Als sie etwa fünf Meter von einander entfernt waren, stoppte er plötzlich. Da erst erkannte ich, dass Polly Bobs Waffe gezogen hatte. Eilig wendete ich Hekate und ritt zu ihnen.
„Polly! Nicht!“, schrie ich ihr zu. Sie schien mich nicht zu hören.
Ich sprang auf den Boden und ging langsam auf sie zu.
„Bleib stehen, Ell“, sagte Polly emotionslos, ohne den Blick von Mato zu wenden. „Das geht dich nichts an.“
Ich verharrte, blickte zwischen den beiden hin und her. Polly stand hoch erhobenen Hauptes in ihrer blutigen, schmutzigen Kleidung da, ihr Gesicht zu einer Maske regloser Entschlossenheit gefroren, die entsicherte Waffe mit einer Hand auf Mato gerichtet. Er sah sie nur stumm an, nur sie, nicht den Revolver, ohne das geringste Anzeichen von Furcht, stattdessen voll ergebener Zuneigung.
„Polly, er hat uns das Leben gerettet“, wagte ich einen weiteren Versuch, rührte mich aber nicht von der Stelle.
„Warum?“, fragte sie nüchtern.
„Weil ich dich liebe“, sagte Mato und zuckte leicht, fast entschuldigend mit den Schultern.
Ich hielt den Atem an, erwartete fast, dass dieser Satz der Auslöser sein würde, der ihren Finger zwingen würde abzudrücken. Nichts geschah. Die Sekunden zogen sich in die Länge, wurden zu zähen Minuten. Dann sah ich, dass Pollys Hand zu zittern begann. Ganz langsam ließ sie die Waffe sinken und taumelte einen Schritt rückwärts. Ich hechtete zu ihr, fing sie auf und drückte sie an mich. Sie ließ es geschehen, ohne meine Umarmung zu erwidern, und ließ sich anstandslos den Revolver aus der Hand nehmen. Ich sicherte ihn und steckte ihn neben den anderen.
Langsam hast du das nötige Arsenal beisammen, bemerkte meine innere Amazone. Schade nur, dass du nichts davon benutzt.
Polly wirkte so erschöpft, dass ich mich entschloss, mit ihr gemeinsam auf Hekate weiterzureiten. Sie würde sich in ihrem Zustand nicht alleine auf ihrer Aspahi halten können. Ich schob sie in den Sattel, kletterte hinter sie und hielt sie mit einem Arm fest. Dann sah ich mich noch einmal nach Mato um, der trotz aller Coolness doch etwas erleichtert zu sein schien und nun ein bisschen verloren in der Gegend herumstand.
„Halt dich von ihr fern“, schärfte ich ihm ein und
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