Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
dass ich die Gestalt zuerst nicht wahrnahm, die im Dunkeln neben Pollys Bett kauerte. Dann jedoch spürte ich überdeutlich die Gegenwart einer dritten Person und jagte den Lichtkegel blitzschnell durch den Raum, bis er an Mato hängen blieb.
War ja klar.
Er reagierte nicht auf mein Eintreten oder die plötzliche Helligkeit. Seine ganze Aufmerksamkeit galt meiner Schwester, die schlafend auf der Seite lag. Seine Hand hielt ihre fest – nein, überrascht stellte ich fest, dass es mehr so aussah, als klammere sie sich an seine. Ich holte Luft, um ihn anzublaffen, dass er sie gefälligst in Ruhe lassen solle, dann jedoch ließ ich sie ohne ein einziges Wort wieder entweichen.
Was soll's.
Ich wollte Polly nicht wieder wecken; wir konnten essen, wenn wir ausgeruht waren. Entkräftet ließ ich mich auf der anderen Seite des Bettes auf der Matratze nieder, legte mein Schwert quer auf den Nachttisch, den Dolch daneben. Die beiden Revolver versteckte ich unter meinem Kissen. Ich streifte mir die Stiefel von den Füßen und schlüpfte unter die Decke. Als ich nach Polly tastete, spürte ich, dass sie aufgehört hatte zu zittern.
Ich erwachte von einer heftigen Erschütterung der Matratze, einem Sirren und einem Luftzug, der mir übers Gesicht hinwegstrich. Pollys panischer Aufschrei vereitelte mein Vorhaben, dies einfach zu ignorieren, mich umzudrehen und weiterzuschlafen. Polly war normalerweise nicht panisch. Niemals. Ich fuhr hoch und sah, dass sie mitten im Raum stand, mein Schwert in der Hand, die Klinge auf Mato gerichtet, der nach wie vor auf dem Boden neben ihrer Bettseite saß.
„Was machst du hier!?“, schrie sie ihn an.
Nun bekam ich doch ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn nachts nicht aus dem Zimmer geworfen hatte … Aber andererseits schien sie sich zu meiner Überraschung gut erholt zu haben, sie war kein zitterndes Nervenbündel mehr, sondern einfach nur entsetzt und wütend – was schlimm genug war. Dennoch, von Mato ging keinerlei Gefahr aus, m it der sie nicht selbst zurechtkommen würde. Er starrte sie reglos mit großen blauen Augen an, ohne mit der Wimper zu zucken.
Also gähnte ich herzhaft und ließ mich zurück an das gepolsterte Kopfteil sinken. „Er bewacht deinen Schlaf.“
Kein Bock auf Dramen. Zu früh für weitere Katastrophen.
„Lass das“, raunzte sie Mato an. „Geh weg.“
Nach ein paar Sekunden schien ihr selbst bewusst zu werden, dass er im Augenblick nirgendwo hin konnte, eingezwängt zwischen dem Bett und einem breiten Schrank, der einzige Ausweg versperrt von ihr selbst. Also ließ sie zögernd das Schwert sinken, warf es schließlich achtlos aufs Bett, krallte sich ihre Hose und die Stiefel und rannte ins Bad. Die Tür fiel krachend ins Schloss.
„Morgen“, sagte ich und blickte zu Mato hinüber. „Du bist ziemlich hartnäckig, weißt du das?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Dir ist bewusst, dass du keine Chance hast?“, erkundigte ich mich.
Wieder ein Schulterzucken.
„Wir sind Amazonen. Amazonen verlieben sich nicht“, erklärte ich ihm.
Er hob nur die Augenbrauen.
Ein ohrenbetäubendes Magenknurren unterbrach unsere angeregte Konversation. Mein Magenknurren. Obwohl es schon hell war, hatte ich keineswegs das Gefühl, auch nur annähernd genug geschlafen zu haben, aber ich hielt den Hunger nicht mehr aus und stand auf. Hastig leerte ich den Inhalt der weißen Tüte auf den Schreibtisch, ließ mich auf einen der Stühle fallen, riss mir ein Stück vom Brot ab und biss gierig hinein.
„Willst du auch etwas?“, fragte ich Mato mit vollem Mund und warf ihm ohne eine Antwort abzuwarten ein Stück Brot zu.
„Danke“, sagte er, als er es fing, und kam auf mich zu.
„Wasser?“
„Ja. Bitte.“
Ich reichte ihm den Wassercontainer und auch er setzte sich an den Tisch. Er hatte Polly versorgt, da sollte er jetzt nicht hungern müssen. Nachdem ich meinen Anteil des Brotes verdrückt hatte, machte ich mich über den Mais her und schüttete Mato sein verdientes Drittel in die Hand. Als ich mich dem Nachtisch widmen wollte, stellte ich zweierlei fest. Erstens: Ich wusste nicht, wie ich zwei Äpfel gerecht auf drei Leute aufteilen sollte. Es musste irgendetwas mit dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen oder dem größten gemeinsamen Teiler zu tun haben, aber genauso, wie mein Gehirn zu allzu früher Stunde Dramen mied, wollte es auch von Mathematik nicht behelligt werden. Und zweitens: Die Äpfel waren von derselben Sorte, die Louis und ich während
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