Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
einzufallen, womit er mich aufzuheitern hoffte, und sein Lächeln vertiefte sich. „Louis hat gestern noch angefangen, einen Brief an dich zu schreiben.“
Mein Herz hüpfte hoffnungsvoll auf. „Ja? Und? Wo ist er? Der Brief?“
Dante zog eine Grimasse. „Er hat ihn zerrissen.“
Ich sank wieder in mich zusammen.
Vielleicht schreibt er noch einen neuen? meinte mein Herz.
Selbst wenn – wer weiß, ob das, was drin steht, positiv ist? sagte mein Verstand.
Alles ist besser als das hier, fand ich. Alles ist besser als nichts.
Louis schrieb keinen neuen Brief. Ich wartete eine ganze Woche darauf, dass etwas passierte, aber es geschah überhaupt nichts, außer, dass ich jetzt auch noch auf meine Mittagspause verzichten musste. Täglich um diese Zeit brachte ich Philippa nun in die Halle der Klinik hinunter, damit sie dort mit Dante einen Plausch halten konnte, während die anderen zu Tisch saßen. Man muss ihr zugute halten, dass sie seit unserem nächtlichen Ausflug um einiges umgänglicher geworden war. Sie beschimpfte und bedrohte mich immer noch, aber es kam mir so vor, als kämen die Schmähungen nicht mehr aus vollem Herzen. Als sie mich das erste Mal bat, sie mittags nach unten zu fahren, war es tatsächlich eine Bitte und ich konnte sie ihr nicht abschlagen.
„Du bist ein gutes Mädchen“, sagte sie, nachdem ich sie nach dem Treffen wieder abgeholt und in ihr Zimmer gebracht hatte.
Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. „Wie bitte?“
„Ein gutes Bastardamazonenmädchen“, berichtigte sie und schenkte mir ihr typisches fieses Lächeln.
Die letzte Woche meines Strafdienstes neigte sich dem Ende zu, aber ich versprach den beiden alten Leuten, mich weiterhin als Kupplerin zur Verfügung zu stellen.
Wenn ich sonst schon für nichts gut bin und keinen eigenen Lebenszweck habe, kann ich wenigstens anderen dabei behilflich sein, ihr Glück zu finden, dachte ich mir. In anderen, weniger altruistischen Momenten kotzte mich ihr vergreistes Geturtel einfach nur an.
Überhaupt begann immer mehr, mich anzukotzen. So stellte ich fest, dass mein Mitleid mit Polly und mein schlechtes Gewissen partiell einer gewissen Verbitterung wich.
Du hast sie gerettet und sie behandelt dich wie Dreck, bemerkte mein Verstand.
Ich bin schuld, dass sie überhaupt erst gerettet werden musste.
Bist du nicht, die Vatwaka sind schuld. Ja, du hast einen Fehler gemacht, aber sie hat auch Teilschuld, sie war leichtsinnig. Du hast dein Leben riskiert, um sie da rauszuholen, und was ist der Dank?
Ich werde verachtet und ignoriert. Und das begann mich tatsächlich zu ärgern. Meine Sicht der Dinge verschob sich graduell, bis ich endlich wagte zu denken: Ich habe damals im Wald getan, was ich für richtig hielt. Ich bin meinem Gewissen gefolgt. Papa hätte gut geheißen, was ich getan habe. Dann kann es nicht schlecht sein. Sicher, wenn ich damals gewusst hätte, was geschehen würde, hätte ich anders gehandelt. Doch aus meiner damaligen Warte – langsam, langsam bröckelte die tonnenschwere Schuld von meinen Schultern – war es das Richtige. Und Polly gibt mir nicht die geringste Chance, ihr alles zu erklären.
Also gab ich es auf, mit ihr reden zu wollen und sie wie ein rohes Ei zu behandeln. Es machte ohnehin keinen Unterschied.
Auch Louis' beständige Ignoranz mir gegenüber nervte mich inzwischen ganz gewaltig. Ich hatte die Phase der erstarrten Fassungslosigkeit hinter mich gebracht und die der verzweifelten Erklärungs- und Wiedergutmachungsversuche. Jetzt musste mit anderen Mitteln gekämpft werden. Aktiv.
Ich werde dafür sorgen, dass du mich wieder ansiehst, schwor ich ihm in Gedanken, während er wieder einmal im Stall an mir vorüberging, ohne auch nur den Kopf zu heben. Mit schmalen Augen sah ich ihm hinterher. Du wirst müssen. Du bist auch nur ein Mann. Du unterliegst auch nur den ganz natürlichen Regeln der Biologie, Chemie, was auch immer.
Noch an diesem Abend lief ich bei Atalante ein und versuchte, sie zu überreden, mich im nächsten Monat wieder in der Schneiderei arbeiten zu lassen.
„Eigentlich bist du für das Solarkraftwerk eingeteilt“, sagte sie, nachdem sie einen Blick auf eine ihrer Listen geworfen hatte.
„Ach was, die Sonne scheint auch ohne mich“, erwiderte ich leichthin.
„Ich dachte, du interessierst dich neuerdings für Technik? Hast du nicht diesen Player auseinander nehmen wollen?“
„Ja, och, schon, aber ich habe gemerkt, dass ich diesbezüglich leider völlig
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