Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
los.“ In seiner Stimme hörte ich das Echo meiner Freude. „Außerdem ist es hier zu dunkel, ich will dein Lachen nicht nur hören, sondern auch sehen können.“ Er nahm meine Hand und zog mich mit sich durch die Finsternis. Es ging leicht aufwärts und ich klebte so nah an ihm, dass ich ihn mehrfach anrempelte und ihm auf die Füße stieg. Er quittierte jede meiner Entschuldigungen mit einem Kuss. Das sollte wohl bedeuten, dass ich ihm jederzeit gerne auf die Füße treten durfte, solange ich mich nicht mehr von ihm wegsperren ließ.
Nach etwa fünfzig Metern erreichten wir die Pferde. Um Hekate gebührend begrüßen zu können, zwang ich mich dazu, Louis' Hand loszulassen.
„Erkennst du mich überhaupt noch, meine Süße?“, flüsterte ich ihr ins Ohr und die Tatsache, dass sie wie gewöhnlich begann, an meinem Oberteil zu knabbern, nahm ich als Ja .
„Wie hast du Hekate aus der Stadt geschmuggelt?“, fragte ich Louis.
„Ich habe sie heute Abend von der Weide geklaut und Victoria hat Juris Rappen in ihre Box gestellt, damit ihr Fehlen nicht so auffällt.“
„Da hattet ihr ja Einiges zu tun, während ich nur faul herumgesessen bin.“ Ich dachte an die Einöde des Tempels und unterdrückte ein Schaudern.
„Ich war unendlich dankbar, endlich etwas tun zu können und nicht nur abwarten zu müssen.“ Er nahm meine Hand und küsste sie.
Wir liefen abseits der Pfade. Der Wald war dicht und der Boden steil, deswegen mussten wir die Pferde noch ein Stück am Zügel führen. Meine fehlende Sicht glich ich in allen Regenbogenfarben mit meiner leuchtenden Glückseligkeit aus. Schließlich hatten wir den Hügel erklommen und das Dickicht wurde lichter. Überhaupt war es heller geworden, der Mond war offensichtlich doch noch aufgegangen und tauchte die Umgebung in gedämpftes Licht. Unsere Blicke fanden sich. Endlich konnte ich Louis' Augen wieder sehen und sein Lächeln und die Liebe darin beschleunigten meinen Puls.
Er drückte noch einmal meine Hand, bevor er sie losließ, und grinste mich an. „Lass uns abhauen.“
Ich hatte meinen Fuß schon im Steigbügel, da machte ich einen elementaren Fehler. Den Fehler, den schon Orpheus gemacht hatte – und im Übrigen auch Steve Bonanno in seiner Rolle als Cosmo Garcia im letzten Teil der Flammenmeer-Trilogie.
Ich drehte mich noch einmal um.
Blickte über die Baumwipfel hinweg, sah den vollen Mond, der riesig und orange nur knapp über dem Horizont schwebte, und Themiskyras rot beleuchtete Türme in der Dunkelheit. Der Anblick riss mich fast von den Beinen. Er brandete gegen meine geistige Barriere, brachte sie zum Einsturz – und der eine Gedanke schwappte in mein Bewusstsein, eine reißende Bilderflut im Gefolge, die ich bis eben hatte vermeiden können. Sie stürzte im Schnelldurchlauf auf mich ein, Kleinigkeiten, die ich in den letzten beiden Jahren dort erlebt hatte, Sonnenfeier und Lichterfest, Schneiderei, Färberei, Stallarbeit, Lagerfeuer im Wald, meine Geburtstagsfeier, meine Freundinnen, Corazon, Victoria, Tetra und immer wieder Polly …
Ich habe mich nicht mal von ihr verabschiedet. Meine Schwester. Meine Polly. Und dabei hatte ich ihr geschworen, dass ich sie nie verlassen würde.
Schlagartig zog es mich mit aller Macht zu ihr und zur Stadt der Amazonen zurück. Mein Innerstes schien durcheinanderzuwirbeln und eine Stimme dröhnte wiederhallend durch meinen Kopf. Eine Stimme, die ich schon einmal gehört hatte, damals in einer meiner dunkelsten Stunden, in Atalantes Bad. In meinem Traum. Sie sagte nur ein Wort.
BLEIB.
Die Welt schwankte, als ich versuchte, zu begreifen. Langsam stellte ich meinen Fuß wieder auf dem Boden ab.
Ist das der Deal? fragte ich die Göttin entsetzt. Ist es das, was du von mir verlangst, dafür, dass du ihn gerettet hast? Dass du mich für immer an Themiskyra bindest?
Doch sie antwortete mir nicht. Stattdessen fuhr mir ein jäher Windstoß in den Rücken und ließ mich einen unwillkürlichen Schritt auf die Amazonenstadt zu stolpern. Plötzlich wurde mir klar, dass die rosarot gefärbte, weichgezeichnete Version meiner Zukunft, wie ich sie mir in meiner Anfangszeit als Hiery noch ausgemalt hatte, nichts als eine Utopie gewesen war. Irgendwo hier in der Nähe mit Louis im Wald leben, heimliche Treffen mit Polly, mit meinen Freundinnen – nichts davon war realistisch. Wir mussten weg. Richtig weit weg, wenn Atalante mich nicht wieder in die Finger kriegen sollte.
„Was ist los?“, ertönte Louis' Stimme neben
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