Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Tetra, Polly und mir niemand davon, und das musste auch so bleiben.
„Da wo ich herkomme, also aus der Zivilisation“, – manchmal machte es mir Spaß, Polly damit zu ärgern, obwohl ich wusste, dass es eine hohle Phrase war, da meine angeblich zivilisierte Welt zusammengebrochen war, wohingegen ihre schon Jahrtausende überdauerte, – „da wird ordentlich gefeiert, wenn jemand Geburtstag hat“, erklärte ich ihr, während ich den Kleiderschrank nach extra schönen Kleidungsstücken durchforstete.
Sie ignorierte meine Gemeinheit und fragte gähnend: „Und das heißt?“
„Das heißt: Musik und Tanz und gute Freunde und Obstbowle und eine Geburtstagstorte mit Kerzen. Und Geschenke.“ Polly schaute ziemlich überfordert drein und so zusammengefasst fiel mir auch auf, dass die Realisierung unter den gegebenen Umständen doch ein bisschen schwierig werden könnte. „Naja, also … Einohrmusik über GemPlayer und eine liebe Schwester tun es aber auch“, versicherte ich ihr und ihre Miene hellte sich ein wenig auf.
„Alles klar. Dann also heute Abend Geburtstagsparty?“
„Genau. Nach dem Abendessen.“ Ich wusste, dass es eine vergleichsweise magere Feier werden würde, aber ich würde einfach das Beste daraus machen.
Als ich abends in unser Zimmer zurückkehrte, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Ich hatte Tischdienst gehabt, und während ich Geschirr, Gläser und Besteck abgeräumt und den Tisch sauber gewischt hatte, war Polly schon vorgegangen – offenbar um all das vorzubereiten, was mich nun erwartete: Der Tisch am Fenster war mit einem bunt gemusterten Tuch bedeckt, darauf standen unzählige dicke weiße Kerzen, ein Mini-Apfelkuchen, eine große Flasche, die eine goldene Flüssigkeit enthielt, Gläser und Teller sowie ein kleiner Leinenbeutel, der mit einer Schnur zugebunden war. Polly saß auf ihrem Bett und sah mich erwartungsvoll an.
„Boah!“, sagte ich, obwohl ich wusste, dass das auch ein ziemlich unintelligenter Laut war. „Du bist ja der Wahnsinn!“
Sie strahlte, sprang auf und streckte mir einen der beiden Ohrstöpsel entgegen, die mit ihrem Player verbunden waren. „Musik!“
Zu den feierlichen Klängen von Die die die my darling setzten wir uns an die Geburtstagstafel und während ich nur staunend dasaß, erklärte Polly: „Die Kerzen haben nicht auf den Kuchen gepasst, aber es sind siebzehn Stück. Erdbeerbowle war nicht aufzutreiben – nicht zu dieser Jahreszeit, aber dafür habe ich einen Honigmet aus der Vorratskammer mitgehen lassen. Und das ist dein Geschenk.“ Sie überreichte mir das Säckchen, das schwerer war, als es aussah. „Alles Gute zum Geburtstag!“
Ich drückte sie gerührt an mich und kämpfte tatsächlich einen kurzen Moment mit den Tränen. „Mach doch mal auf!“, sagte meine Schwester, nicht empfänglich für eine derartige Gefühlsduselei, und schenkte uns großzügig Met in die Gläser ein.
Ich öffnete die Schleife des Beutels und förderte einen breiten schwarzen Wildledergürtel mit einer Metallschließe zutage, die mit floralen Mustern verziert war.
„Polly, der ist toll! Wo hast du den nur her?“, rief ich begeistert und begann sofort, ihn durch die Schlaufen meiner Hose zu fädeln. Früher wäre ich vermutlich enttäuscht gewesen, wenn ich nur einen Gürtel zum Geburtstag bekommen hätte, aber hier, wo man so wenig eigenen Besitz hatte, war ein Geschenk eine unglaublich tolle Sache. Sie zuckte nur mit den Schultern.
„Ein paar Leute haben mir noch einen Gefallen geschuldet“, sagte sie cool, aber als ich sie skeptisch ansah, grinste sie. „Nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest.“
Ich umarmte sie nochmal. „Vielen Dank.“
„Prost!“ Sie hielt mir ihr Glas entgegen, wir stießen an und tranken. Ich hatte noch nie zuvor Met getrunken, aber er schmeckte mir ausgesprochen gut. Vielleicht zu gut, denn in kürzester Zeit war die halbe Flasche leer. Trotz der Süße des Getränks hatten wir auch den Großteil des Kuchens vertilgt.
„Und das hast du alles aus der Vorratskammer geklaut?“, fragte ich, immer noch ungläubig, dass sie so ein Spektakel für mich veranstaltete, und meine Zunge war schon ein wenig schwer.
„Klar. Wenn du eine Party willst, dann kriegst du auch eine. Cheers, Geburtstags-Ell!“
„Prost, beste Schwester der Welt.“ Wir stießen wieder an.
„Und jetzt: Der Tanz!“, kommandierte sie, wobei sich das etwas schwierig gestaltete, da wir durch den GemPlayer miteinander verbunden waren
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