Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
mein Herz.
Sag's ihm. sagte mein Verstand.
„Ich habe etwas herausgefunden“, flüsterte ich.
„Was?“ Sein Gesicht war dem meinen verwirrend nahe.
„Über deine Mutter“, sagte ich vorsichtig.
Er zuckte zurück. Meine Hand fiel ins Leere. Er starrte mich ungläubig an, dann erwiderte er eisig: „Ich habe keine Mutter.“
Erschrocken über seine Reaktion beeilte ich mich zu erklären: „Ich weiß, deswegen habe ich Nachforschungen angestellt und –“
„Lass es“, fuhr er mich an. Mit einem Ruck wandte er sich ab, ging mit festen großen Schritten an mir vorbei und verließ den Stall.
Ups, vielleicht doch keine so brillante Idee, gab mein Verstand zu.
Nicht aufgeben. Erklär ihm alles! drängte mein Herz.
Ich lief ihm hinterher. Es nieselte noch immer und ich musste aufpassen, auf den glitschigen Kieselsteinen, die den schmalen Weg zwischen Stall und Schmiede bedeckten, nicht auszurutschen. Auf halbem Weg zu den Arbeiterquartieren holte ich ihn ein.
„Louis!“, rief ich flehend.
Er blieb stehen und drehte sich um. „Lass es einfach.“
Ich konnte nicht. „Dante hat mir erzählt von –“
„Ich weiß“, unterbrach er mich aufgebracht. „Das hätte er nicht tun sollen. Keine Ahnung, was ihn dazu getrieben hat, es ausgerechnet dir auf die Nase zu binden, aber es spielt sowieso keine Rolle.“
„Es war ein Versehen. Er wusste nicht, dass ich dich kannte.“ Ich versuchte, den alten Mann in Schutz zu nehmen, auch wenn mir eigentlich die Frage auf der Zunge brannte, was Louis mit ausgerechnet dir meinte. „Aber möchtest du nicht wissen –“
„Nein. Ich möchte es nicht wissen. Es interessiert mich nicht.“ Er trat zwei schnelle Schritte auf mich zu und wirkte mit einem Mal so bedrohlich, dass ich automatisch zurückwich und mit dem Rücken an die nasse Außenwand des Stalls stieß.
Ich wollte aber nicht klein beigeben. „Das glaube ich nicht.“
„Es ist mir egal, was du glaubst und was nicht“, sagte er schroff. „Du kannst nichts wieder gut machen.“
„Was denn wieder gutmachen?“
„Das, was damals geschehen ist.“
„Darum geht es doch gar nicht!“ Ich schrie fast.
„Um was geht es dann?“ Seine Augen blitzten wütend auf.
Der Regen wurde stärker, drang durch meine Kleidung und rann mir den Rücken hinab. Aber vielleicht war das auch nur die kalte Erkenntnis, dass ich alles verdorben hatte. Was auch immer das sein mochte.
„Ich wollte dir nur helfen. Ich wusste doch früher selbst nichts über meine Mutter …“ Ich geriet ins Stocken, denn meine Argumentation funktionierte so nicht. Meine Geschichte war gut ausgegangen. Seine oder vielmehr die seiner Mutter nicht. Es war eine Dummheit gewesen, ihm davon erzählen zu wollen, und ich stand buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Der Platz zwischen den Gebäuden war gering und Louis stand so nah bei mir, dass ich glaubte, seinen Zorn körperlich zu spüren, als er auf meine Antwort wartete. Ich sah weg und strich mir eine nasse Haarsträhne hinters Ohr, während ich fieberhaft überlegte, was ich sagen konnte, um die Situation zu retten.
„Du musst doch wissen wollen, was damals passiert ist. Sonst wirst du niemals froh werden“, brachte ich schließlich leise hervor. Ich blickte in seine Augen, in der Hoffnung, die Verbindung zu ihm wiederzufinden oder zumindest auf einen Funken Verständnis für meine Beweggründe zu stoßen, aber in seinem Blick sah ich nur Kälte, die in mein Herz stach.
„Ich brauche deine Hilfe nicht. Es ist alles gut so, wie es ist. Du bringst alles durcheinander.“
„ Ich bringe alles durcheinander?“, fragte ich ungläubig. Jetzt wurde ich sauer. Am liebsten hätte ich ihn weggeschubst, um mir den Raum zu verschaffen, nach dem meine Wut verlangte, aber ich hielt mich zurück und straffte nur meine Haltung. „Nur weil ich mich für dein Leben interessiere und dich nicht wie Dreck behandle, wie alle anderen Amazonen?“, fauchte ich.
„Vielleicht solltest du das lieber tun“, fuhr er mich an. „Oder besser noch: Lass mich einfach ganz in Ruhe. Ich lege weder Wert auf dein Mitleid noch auf deine Nachforschungen. Halt dich raus aus meinem Leben, dem vergangenen und dem zukünftigen.“
Mit einem Ruck drehte er sich um, lief den Weg entlang und verschwand um die Ecke.
Fassungslos sah ich ihm nach, unfähig, ihn zurückzuhalten und ihm nachzulaufen. Mein Herz brannte in meiner Brust. Ich ließ mich an der Wand entlang auf den steinigen Boden gleiten. Das war alles
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