Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
Seltsam? Du belauschst mich im Schlaf? Ich muss schon sagen, du verstehst es wirklich, einen romantischen Moment zu zerstören!“ Aber ehrlich gesagt war ich dankbar dafür.
„Klar. Ich will doch nicht schon in der ersten Stunde des Jahres dafür verantwortlich sein, dass dir unbehaglich zumute ist.“
„Unbehaglich?! Ich fühle mich doch nicht unbehaglich.“
Er sah mich unverwandt an. „Doch. Immer. Zumindest immer, wenn wir zu zweit sind. Natürlich genießt du meine Anwesenheit, wie jede Frau, die einigermaßen bei Verstand ist. Aber genau das ist dir auch unangenehm.“
„Stimmt nicht.“
Du darfst nicht mehr lügen! rief mir meine innere Amazone in Erinnerung, deswegen setzte ich ein halbherziges „glaube ich“ hinzu.
„Doch. Das war schon im BoraBora so. Und du weißt genauso gut wie ich, warum das so ist.“
„Weiß ich nicht“, beharrte ich und stopfte meine halberfrorenen Hände energisch in die Manteltaschen.
„Mach dir nichts vor.“ Damit lächelte er mich siegessicher an, drehte sich um und ging zurück in die Büchse der Pandora .
Und ich stand draußen in der Kälte und fühlte mich kindisch und dämlich und einsam. Und weil es mir der Stolz verbot, ihm nachzugehen, würde ich da vermutlich heute noch stehen, wenn Munin nicht vorbeigekommen wäre, den Verne vom Wachdienst abgelöst hatte.
„Warum stehst du hier draußen?“, fragte er überrascht, nachdem wir unsere Neujahrswünsche ausgetauscht hatten. „Sind drinnen wieder Leute, denen du am liebsten an die Gurgel gehen würdest?“
„Ja“, knurrte ich. „Dein missratener Neffe.“
„Du ziehst den Tod durch Erfrierung vor?“
„Offensichtlich.“
„Ja, der arme Junge“, sagte Munin nachdenklich und stützte sich mit den Unterarmen an der Brüstung zur Awin auf.
„Der arme Junge?“, echote ich empört. „Das arme Mädchen! Ich!“
„Ja, das arme Mädchen“, wiederholte Munin voll Ironie, „das die Qual der Wahl hat zwischen dem charismatischen Nerista, dem attraktiven besten Freund und dem sagenumwobenen Ex-Geliebten. Welch grausames Schicksal.“
„Ich habe nie um eine Wahl gebeten“, erwiderte ich kühl.
„Aber du hast sie.“
„Nicht wirklich. Ces hat kein Interesse mehr an mir und Will macht sich nur über mich lustig.“ Das war mir an diesem Abend wieder überdeutlich klar geworden. „Aber selbst wenn … selbst wenn ich einen von den beiden auch nur halbwegs in Betracht zöge, was natürlich vollkommen ausgeschlossen ist, könnte ich dennoch nicht aufhören nach Louis zu suchen. Und dass das eine Kombination ist, die nicht hinhaut, brauche ich wohl nicht noch extra zu erwähnen.“
„Ell.“ Er rückte seine blaue Sonnenbrille zurecht. „Ich weiß, du willst das nicht hören, aber irgendjemand muss es ja mal zur Sprache bringen. Was ist, wenn der Typ nicht in Citey ist?“
„Ich weiß, dass er hier ist. Ich spüre es.“
„Du spürst es?“ Er sah skeptisch zu mir herüber.
„Ja. Und als ein Mann, der behauptet, erkennen zu können, ob jemand die Wahrheit sagt oder nicht, solltest du wissen, wovon ich rede.“
Er lächelte. „Nun gut, aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass du dich irren solltest – was dann?“
„Dann suche ich woanders weiter.“
„Wie lange?“
„So lange es dauert.“
„Bis du alt und grau bist? Bis an dein Lebensende?“
Ich zögerte.
„Was ist, wenn er nicht mehr am Leben ist? Oder irgendwo ganz anders eine Familie gegründet hat?“, fuhr Munin fort und ich unterdrückte den starken Drang, mir die Ohren zuzuhalten und laut lalala zu singen. „Liebst du ihn wirklich? Oder ist es nur eine fixe Idee, an der du krampfhaft festhältst, weil du es dir nun mal in den Kopf gesetzt hast?“
Es war nicht so, als ob ich das zum ersten Mal hörte. Mein Verstand kam auch bisweilen mit diesen ungemütlichen Fragen an. Aber es war etwas anderes, sie von einer anderen Person gestellt zu bekommen. Man kam ihnen schlechter aus.
Ich setzte zu einer Entgegnung an, doch Munin ließ mich nicht zu Wort kommen. „Quäl dich nicht mit einer Antwort, sie ginge mich ohnehin nichts an. Was ich sagen will, ist: Du musst dir selbst eine Frist setzen, wenn du dein Leben nicht verschwenden willst. Sonst drehst du irgendwann durch oder endest wirklich als verbitterte alte Frau. Oder beides.“
„Ich hatte ein e Frist –“
„Ich meinte, eine realistische. Es ist klar, dass du Citey in ein paar Wochen nicht komplett absuchen kannst. Aber du arbeitest doch mit dem
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