Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
und packst sie in die Tasche dort?“
Sobald der Andrang etwas nachließ, kam ein Mann um die vierzig an den Tisch, der sich schon eine ganze Weile in unserer Nähe herumgetrieben hatte. Er trug eine ausgefranste Jeansweste über einem kurzärmligen T-Shirt und einer schlabbrigen Baumwollhose und sagte kein Wort, aber das war offenbar auch nicht nötig.
Chiara blickte sich kurz um, dann begann sie kommentarlos, in einer der Kisten zu kramen. Als er die Hand ausstreckte, um das kleine, unbeschriftete Päckchen entgegenzunehmen, sah ich an der Innenseite seines Handgelenks einen unprofessionell eintätowierten Blitz und machte fast einen Satz rückwärts.
„Das war ein Marodeur“, zischte ich Chiara zu, nachdem er sich wortlos wieder davongemacht hatte.
„Und?“, fragte sie und besah sich bewundernd die Perlenohrringe, die er ihr im Gegenzug überreicht hatte.
„Was hast du ihm gegeben?“
Sie beugte sich zu mir herüber und flüsterte: „Munition.“
„Munition?!“
„Nicht so laut. Die Erben sind in der Nähe.“
„Du gibst ihnen Patronen, damit sie das Blutbad hier noch vergrößern können?!“ Ich starrte sie voll Entsetzen an.
„Das tun sie ohnehin. Und weißt du, was wir hierfür alles kriegen?“ Sie hielt mir ungerührt die Perlen vor die Augen. „Das Fleisch, das wir gestern zum Abendessen hatten, bekommen wir nicht geschenkt.“
„Solche Munition in den Händen eines Mannes wie diesem hat einigen meiner Schwestern das Leben gekostet“, fauchte ich.
Meinen Vater. Und Mato, ergänzte mein Herz.
„Das tut mir leid für dich. Aber wenn sie es nicht von uns kaufen, dann holen sie es sich woanders.“ Sie zuckte mit den Schultern. „So ist es nun mal.“
„So sollte es aber nicht sein. Was verkauft ihr noch? Maschinengewehre? Tretminen?“
„Wir besorgen alles, was verlangt wird und was wir bekommen können.“
„Verstehe.“ Ich musste raus hier. Ich bekam zu wenig Luft. „Bin draußen bei Munin“, brachte ich hervor, dann stolperte ich wieder ins Tageslicht und ließ mich auf die oberste der steinernen Treppenstufen fallen.
Verloren , dachte ich düster. Ihr seid alle verloren. Die Stadt ist verloren. Die Prediger haben recht.
Missmutig stützte ich das Kinn auf die Handflächen und ließ den Blick über die Menschenmasse schweifen. Auf einmal ging ein Ruck durch mein Herz, elektrisiert von Schmerz und Hoffnung, als ich eine hochgewachsene Gestalt wahrnahm, die weit jenseits des Trubels über die Straße ritt und zwischen zwei Häusern verschwand.
Kapitel 11
Louis!!! gellte mein Herz und galoppierte los.
Ich sprang auf die Füße.
Nein, das war er nicht , widersprach mein Verstand. Konzentrier dich. Das war nicht die abgetragene Arbeiterkleidung Themiskyras, nur die dunkle Kluft der Erben. Und es war auch nicht Boreas, auf dem der Mann ritt, sondern ein Rappe. Die Sonne steht dir im Gesicht. Was glaubst du, auf diese Entfernung erkannt zu haben?
Langsam sank ich auf die Treppe zurück. Die Sache mit der fragwürdigen Tauschware der Arkadier hatte mich ziemlich durcheinandergebracht. Ich bemühte mich, mein Herz wieder herunterzutakten, da winkte mich Munin zu sich.
„Was ist los? Gab's Ärger da drin?“
„Ihr macht Geschäfte mit Marodeuren!“, warf ich ihm verbittert vor. „Was an sich schon schlimm genug wäre. Aber ihr bietet tatsächlich Waffen und Munition zum Tausch an!“
Ich hätte gedacht, dass er meine Einwände wie Chiara abtun würde, doch er nickte nur gemächlich: „Ja.“
„Ist das alles?“, fragte ich fassungslos.
„Ich verstehe, warum du dich aufregst, und ich gebe dir recht: Wir sollten das nicht tun.“
„Dann tut es nicht!“
„Es ist nicht meine Entscheidung, sondern Vernes. Abgesehen davon können wir es uns nicht leisten, wählerisch zu sein und einzelne Aufträge abzulehnen. Das Leben hier ist ziemlich hart.“
„Wenn sich jeder weigern würde, könnten wir ihnen ihre Macht nehmen“, beharrte ich.
Ein tiefes Lächeln grub sich in seine Wangen. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Du hörst dich wie Charondas' Erben an.“ Als ich empört über diesen Vergleich zurückwich, beschwichtigte er mich: „Versteh mich nicht falsch. Das war nicht böse gemeint. Du bist jung und idealistisch – und das ist auch gut so. Es hat nur nichts mit der Realität zu tun.“
„Nicht, weil es nicht Realität werden kann. Nur, weil es niemand Realität werden lässt!“
„Sobald wir es uns irgendwie leisten können, werden wir es
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