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Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme

Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme

Titel: Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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verschwunden?«
Eigentlich sind wir diejenigen, von denen man erwartet, dass sie verschwinden, und nicht ihr Menschen,
setzte sie innerlich hinzu.
    »Ich bin nicht verschwunden«, antwortete er. »Du hast mich nur nicht mehr gesehen. Und du warst in deinem Traum bei mir, weil ich dich gerufen habe, damit du mich finden kannst.«
    »Warum sollte ich dich finden?«
    »Weil ich etwas habe, was du brauchen wirst.«
    Fragend hob Rian die Augenbrauen.
    Ihr Gegenüber lächelte.
    Sie zog eine Grimasse.
    Ihr Gegenüber grinste.
    Sie schnaubte. »Was hast du, das ich brauchen werde?«
    Ohne zuvor in eine Tasche gegriffen zu haben, hielt er plötzlich ein flaches ovales Holzstück hoch. Weiße Linien und Punkte zierten das dunkle, glatt geschliffene Material. Der Aborigine griff nach Rians Hand und drückte das Holzstück hinein. An einem Ende war ein Loch durch das Material gebohrt und ein dünnes Band hindurchgefädelt worden. »Das ist Dharramaalans Schwirrholz. Wenn du Rat und Hilfe brauchst, kannst du es benutzen.«
    »Dharramaalan? Ist das dein Name?«
    Ihr Gegenüber lächelte wieder.
    Rian gab es auf und betrachtete das Schwirrholz. »Warum gibst du mir das? Warum willst du mir helfen?«
    Der weißhaarige Mann legte die Hand gegen seine Brust. »Der Fluss des Lebens fließt aus dir heraus«, sagte er. »Du suchst die Quelle, für neues Leben. Es ist wichtig, dass du sie findest. Für uns alle. Sonst fließt das Leben aus jedem von uns.«
    Damit mochte er sogar recht haben, fand sie, sei er nun Mensch oder – wie sie inzwischen vermutete – Grenzgänger. Sollte der Quell sich nicht finden, würde Bandorchu die Menschen vermutlich bis zur letzten Seele ausquetschen, um ihr eigenes Leben so lange wie möglich zu verlängern.
    Rian hob das Band über ihren Kopf und steckte das Holz in den Ausschnitt ihrer Bluse. Das Band war lang, und das Schwirrholz hing nur knapp oberhalb ihrer Taille.
    »Lass es Yacowie nicht sehen«, warnte sie der Alte. »Seine Gier wird es dir sonst stehlen.«
    »Hier sind Sie!« Der Mann aus dem Laden trat hinter Rian in den Innenhof, und sie drehte sich zu ihm um.
    »Oh ja, Entschuldigung, ich hatte Ihnen gar nicht gesagt, wo ich hin wollte«, sagte sie mit einem Lächeln. »Aber ich sah diesen Mann …« Sie drehte den Kopf und starrte auf einen leeren Rattanstuhl. Nur die Zeitung lag noch immer sorgfältig gefaltet da.
    »Egal.« Der Verkäufer winkte ab. »Sie müssen mir noch den Beleg unterschreiben. Kommen Sie bitte wieder rein?«
    Rian erhob sich, warf noch einmal mit gerunzelter Stirn einen Blick auf den Stuhl und folgte dem jungen Mann wieder in den Laden. Wäre nicht das kühle Holz an ihrer Haut gewesen, sie hätte die ganze Begegnung für einen seltsamen Tagtraum halten können.
    Aber er hatte sie vor Yacowie gewarnt.
    Auch in der folgenden Nacht wurde wieder gefeiert, und dieses Mal servierten die Wesen ihr ein Mischgebräu mit einem säuerlichen Beigeschmack, der das Seifige des ursprünglichen Getränks überdeckte. Obwohl der Geschmack gewöhnungsbedürftig war, stellte Rian fest, dass sie die entspannende und anregende Wirkung zu schätzen lernte.
    Die Feste in Yacowies Höhlenbau waren zwar völlig anders als das, was Rian aus Earrach gewohnt war, doch sie übten in ihrer Urtümlichkeit und rohen Direktheit eine eigenartige Faszination auf sie aus, sodass sie sich bald mitten zwischen den Tänzern wiederfand und zu den Rhythmen der Klangstäbe und der Garamut-Schlitztrommel, dem Brummen von Digeridoo und Schwirrhölzern und den sich darum webenden Tönen der Nasenflöte und der aus mehreren Bambusstäben zusammengebundenen Iviliko stampfte, schwang und sich drehte.
    Das Kleid hatte sie weit geöffnet, um die kühle Luft an die schweißbedeckte Haut zu lassen, und lediglich das regelmäßige Anschlagen des Schwirrholzes des alten Aborigines an ihrem Bauch sorgte dafür, dass sie den Stoff nicht völlig abstreifte. Die Warnung des alten Mannes, dass Yacowie nichts von dem Holz wissen durfte, war ihr noch gegenwärtig, und sie wusste nicht, wie sie es sonst verbergen sollte.
    Körper drehten und wanden sich im schwachen Zwielicht. Rhythmen flossen direkt über das Rückgrat in ihren Geist ein, und die Wirkung des Kawa-Getränks ließ irgendwann alles zu einem bunten Wirbel werden. Rian nahm es nicht mehr bewusst wahr, wie alle Tänzer zunehmend enger zusammenrückten und die Bewegungen langsamer wurden, Körper sich aneinander rieben und so manches Paar in die Gänge verschwand.

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