Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
Region ihre Welt erschaffen hatten, und auch wenn die Kräfte des Mondes überall Gültigkeit besaßen, hing das, was Rian am Ende ihres Weges erwartete, gänzlich davon ab, wie die Welt erschaffen worden war, aus der sie kam.
Ihr Blick blieb die meiste Zeit auf die liegende Mondsichel geheftet, und im Näherkommen sah sie, dass sie keineswegs flach war. Wie eine Rinne setzte sie sich weit in den Sternenhimmel hinein fort, und Rian kam es sogar so vor, als würde sie dabei immer weiter und tiefer. Am vorderen Ende jedoch war sie so schmal, dass man sich bequem sitzend in die Rundung schmiegen konnte.
Und genau das tat eine junge Frau mit hellbrauner Haut und sternenhellen Augen. Ein Bein angezogen und die Hände darum gelegt, das andere am Rand der Sichel abwärts baumelnd, saß sie da und sah Rian entgegen. Außer ihrem langen kohlschwarzen Seidenhaar trug die Fremde lediglich einen Rock aus langen silbrigen Blättern. Sobald Rian nur noch wenige Schritte vom Ende des Pfades entfernt war, stand die Frau auf und trat etwas zurück, sodass ihre Besucherin den Mond betreten konnte. Davon abgesehen machte sie allerdings keinerlei Anstalten, die Elfe in irgendeiner Form willkommen zu heißen. Stattdessen musterte sie Rian nur stumm mit ihren mondhellen Augen.
»Ich bin Rhiannon von den Sidhe Crain«, stellte die Elfe sich vor und neigte grüßend den Kopf. »Bist du Eigigu? Die Frau, die im Mond lebt und auf die Wasser hinunterschaut?«
Ihr Gegenüber nickte nur.
In allen Geschichten, die Rian über sie kannte, war Eigigu als Eigenbrötlerin beschrieben worden. Offensichtlich traf das zu, denn dass die Frau stumm war, konnte Rian nicht glauben.
»Ich bin gekommen, weil ich etwas suche«, versuchte sie es weiter. »Würdest du mir ein paar Fragen beantworten?«
Einen Moment herrschte Schweigen, eine Stille, die nur von leisen ruhigen Klängen gemildert wurde, die aus der Tiefe der Nacht hinter dem Mond heranschwebten.
Sphärenmusik,
dachte Rian.
So hoch bin ich bereits
.
»Wenn sie nicht meine Zeit verschwenden, beantworte ich deine Fragen«, antwortete Eigigu endlich, und ihre Stimme klang wie etwas, das da war, aber doch nicht wirklich. Wie ein Traum, der seine Fortsetzung im Wachen fand.
»Ich denke, meine Fragen sind keine Zeitverschwendung. Es geht um die Zukunft aller unserer Völker, vielleicht sogar die unserer gesamten Welt. Wir müssen die Macht der Zeit über uns wieder bannen, oder sie wird uns auslöschen und dem Vergessen übergeben.«
»Und wäre das schlimm?«, fragte die Frau zurück.
Einen Moment war Rian sprachlos. »Fändest du es nicht schlimm, ohne jedes Zeugnis zu verschwinden? Ohne dass irgendeine Erinnerung zurückbleibt?«
Eigigu zuckte die Achseln. »So seid ihr, so habt ihr euch geschaffen. Ihr hättet euch für Erinnerung entscheiden können, doch ihr zieht es vor, Dinge zu vergessen, die euch nicht gefallen.«
Die Worte der Frau riefen Rian deutlich ins Gedächtnis, dass Eigigu einmal ein Mensch gewesen war. Aber die Person vor ihr hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Seele, und sie hatte offensichtlich auch die Art der Menschen bewahrt, an vergangenen Dingen festzuhalten.
»Wie dem auch sei … Denkst du nicht, dass es wichtig ist, nach einem Weg zu suchen, diese Veränderung aufzuhalten?«
Eigigu neigte ein wenig den Kopf. »Es ist dein Weg«, sagte sie.
»Und wirst du mir auf diesem Weg helfen? Vermagst du mir zu sagen, wie die Unsterblichkeit wiederhergestellt werden kann? Wo finde ich den Quell?«
»Es ist dein Weg, also kannst nur du dir darauf helfen«, antwortete Eigigu. »Es ist die Trinität.«
»Die Trinität?« Rian wusste, dass sie den Begriff schon einmal gehört hatte, doch es dauerte einen Moment, ehe es ihr einfiel. Es war im Frühjahr gewesen, auf Sizilien. Ein paar Tage nach den Ereignissen um die Besetzung des Knotenpunkts im Ätna hatte Nadja davon erzählt, dass die Hohe Frau Morgana bei ihrem Abschied eine seltsame Bemerkung gemacht hatte.
Der Schlüssel ist die Trinität,
hatte sie gesagt und betont, dass das sehr wichtig sei. »Was für eine Trinität?«, fragte Rian nun. »Und was hat das mit der Unsterblichkeit zu tun?«
Eigigu verzog das Gesicht. »Du verschwendest meine Zeit mit weiteren Fragen, obwohl du die Antwort schon erhalten hast. Es ist die Trinität. Merk es dir und geh deinen Weg.«
Rian spürte Wut in sich aufsteigen. Warum mussten alle immer so tun, als wäre alles klar und sie nur zu dumm, um es zu sehen? »Ich habe keinen
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