Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
und umkreisten das Schiff. Voller Macht fuhren sie in die Segel, dass der Grogoch Purzelbäume schlagend zurück bis ans Heckende geschleudert wurde. Stöhnend und ächzend presste es ihn an die Wand der Kombüse, und er musste sich den Spott und das Gelächter der Mannschaft anhören, während die
Jolly Joker
wie ein Pfeil über das schäumende Wasser glitt.
Grog versuchte, sich mit den Fingerspitzen in den Ritzen der Planken nach unten zu ziehen, da sah er eine kleine schreiende, rot bemützte Kugel auf sich zufliegen.
»Groooog, Hilfe!«
Begleitet von einem lauten Rums, landete Pirx neben dem Grogoch an der Wand. Die Stacheln tief ins Holz gerammt, hing der kleine Kerl auf den Kopf gestellt da; der Piratenschal, den er immer noch umgewickelt hatte, flatterte im Wind. Die Mannschaft johlte.
Tiefer konnten die Kobolde wirklich nicht mehr sinken. Also warteten sie notgedrungen ab, bis das Schiff seinen Bug senkte und sie wieder freigab.
»Hatte ich nicht erwähnt, dass ihr euch festschnallen müsst?«, fragte Arun amüsiert, packte den Pixie an einem seiner dünnen Ärmchen und half ihm auf die Beine.
»Nicht so richtig.« Brummend rappelte Grog sich auf.
Er hatte genug, wollte sich einfach nur noch an einem ruhigen Ort hinlegen, zusammenrollen und in eine dicke Decke gemümmelt schlafen. Soweit es ihn betraf, mochte die Welt ruhig untergehen.
»Ist das jetzt Langkawi? Sind wir schon da?« Pirx stand neben dem Kapitän am Bug und blickte gespannt auf die auftauchenden Pfahlbauten im Wasser. Der Sturm war zu einer steifen Brise zusammengeschrumpft. Die Sonne blinzelte durch eine graue Wolkendecke hindurch und ließ die Wellenkämme golden aufblitzen.
»Nein, du Quälgeist«, antwortete Arun und entriss dem Pixie den Ärmel, an dem er zupfte. »Das ist eines der Jermals in der Straße von Malakka – fest installierte Fischfangplattformen, auf denen in der Menschenwelt Kinder wie Sklaven gehalten wurden.«
Der Pixie machte große Augen. »Da drauf? Aber das sind doch nur auf Holzpfählen zusammengenagelte Flöße mit einer Wellblechhütte!«
Arun zuckte mit den Schultern. »Als Kolga die darauf arbeitenden Kinder und Jugendlichen befreit hat, hatten die sich schon zu sehr an diese Wackelbauten gewöhnt. Klar ist seitdem der eine oder andere Steg dazugekommen, außerdem haben sie das Ganze sicherer und komfortabler gestaltet. Die einzelnen Plattformen sind jetzt mit einem Gondelsystem verbunden.«
»Wer ist denn Kolga? Noch so eine Schwester?« Pirx kicherte, als Arun nach ihm zu treten versuchte. Flink wuselte der Pixie um ihn herum, zupfte ihn am Ärmel und war im nächsten Augenblick schon wieder auf der anderen Seite.
Der Piratenkapitän gab auf, stieß einen missbilligenden Laut aus, wischte seine lockige Haarpracht mit einer ruckartigen Kopfbewegung nach hinten und rückte sein schwarz-rot gemustertes Kopftuch zurecht. »Kolga ist eine der neun Ägirstöchter. Ein Wellenmädchen. Wobei Mädchen vielleicht nicht ganz das passende Wort ist.« Er grinste.
»Hat sie einen Bart?« Pirx kicherte erneut.
»Himmel, nein!«, rief Arun. »Aber, nun ja, das Wort Mädchen klingt ja normalerweise nach einem zierlichen, liebreizenden Ding, oder nicht? Kolga dagegen ist eher, ich würde sagen, groß. Mächtig groß. Wirklich monströs! Zumindest, wenn sie sich in ihrer wahren Gestalt zeigt. Eine Meeresriesin, so gigantisch, wie ich selten eine gesehen habe.«
»Gibt es denn viele ihrer Art?«, hakte Pirx neugierig nach.
»Bestimmt, auch wenn ich mich nur an diese eine erinnern kann. Im Grunde ist Kolga wirklich nett. Groß, aber nett. Und sie vermag sich ganz klein zu machen, etwa wenn sie bei den Kindern auf den Jermals ist. Sonst würde sie sie ja alle zertreten. Mal ganz davon abgesehen, dass so ein klappriges Holzgerüst eine tonnenschwere Riesin sicher nicht tragen könnte.«
»Gut. Machen wir bei ihr halt, damit ich sie sehe?«, fragte der Pixie. Plötzlich konnte er es kaum erwarten, auf einen der wackeligen Floßbauten zu gelangen. Er sprang auf der Reling hin und her und spähte mit an die Stirn gehaltener Hand zu ihnen hinüber.
»Seit Kolga die Kinder aus den Fängen der Fischereibetriebe befreit hat, betreiben die ihren eigenen Handel«, sagte Arun. »Die meisten waren von ihren Eltern quasi an die Magnaten verkauft worden, weil die Familien sie nicht mehr durchfüttern konnten. Auf den Plattformen haben sie dann Wochen, manchmal sogar Monate gehaust, kaum geschlafen und immer nur Fischnetze
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