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Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Titel: Thennberg oder Versuch einer Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gyoergy Sebestyen
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habe sich seit dem Tag der Trennung in einer geradezu unerhörten Weise verengt, er glaubte, Katherina habe sich in ein unbedeutendes kleines Weibchen verwandelt, das die Welt in der Art der Tiere nur am eigenen Körper erleiden kann, er dachte schließlich sogar, er habe seine Frau in der Erinnerung idealisiert oder gar damals, in der Zeit der ersten Verliebtheit, ihr eigentliches Wesen nicht erkannt. Mohaupt ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken, was ihm leicht fiel, da er an der Richtigkeit seiner Beobachtung zweifeln wollte und außerdem schon immer gleichsam in einem Schneckenhaus lebte, und gewohnt war, seine Mimikry, die ihn isolierte, aber auch beschützte, bewusst und pedantisch zu pflegen. Erst viel später, etwa zwei Jahre nach seiner Rückkehr, begriff Erich Mohaupt, dass er an seinen traurigen Eindrücken nicht aus Rührseligkeit oder aus Bequemlichkeit gezweifelt hatte. Er war einer Täuschung erlegen.
    Jetzt erst begriff er das. Die Rede war wieder einmal auf den Vater gekommen, der die Russen „in beinahe fließendemRussisch zur Achtung vor der Wissenschaft ermahnt“ hatte, worauf sie wirklich abzogen, vorher aber die zwölf Flaschen Obstschnaps einsteckten. Der Geschichte fügte Katherina diesmal den Satz hinzu: Den Rest hat dein Freund ausgetrunken.
    Mohaupt verstand. Er hatte vom Aufenthalt des Richard Kranz in Thennberg bereits gehört. Aber man sprach über nichts Bestimmtes. Er war ein Schatten geblieben. Ja, ja, sagte jemand im Wirtshaus, Richard Kranz hat überlebt, viele haben überlebt, warum denn auch nicht, so ein junger Mensch, er hat halt arbeiten müssen. Ja, Herr Apotheker, sagte ein anderer, der junge Kranz hat die Gattin besucht, wissen Sie denn das nicht? Der wird noch zurückkommen, sagte ein Dritter, der wird sich noch breitmachen im Schloss. Man redete selten über Kranz; Erich Mohaupt hat ja mit ihm Tennis gespielt, möge er nur fragen, wenn er etwas wissen wollte.
    Mohaupt fragte nicht. Und nun sagte Katherina: Den Rest hat dein Freund ausgetrunken. Den Namen sprach sie nicht aus. Auch für sie war Richard Kranz ein Schatten geblieben, oder sie hatte einen Grund, den Namen nicht zu nennen. Mohaupt fühlte: In der Umschreibung lag Vorsicht, lag eine Ängstlichkeit, sie rührte am Mark. Mein Freund? fragte er.
    Er konnte das kurze Gespräch, das darauf gefolgt war, nie wieder vergessen und nicht den Blick seiner Frau, der zuerst so teilnahmslos dumpf gewirkt hatte, wie immer, wenn sie nicht über sich, über den Vater, über die Apotheke, sondern eben über all die anderen, für sie, wie es schien, belanglosen Ereignisse in der übrigen Welt sprach, dannaber hatte der Blick zu leuchten begonnen – nervös, fiebrig, rastlos, wie auf der Flucht –, aber auch dieses seltsame Licht brannte nicht lange, es ging über in ein starres Gleißen. Mohaupt beobachtete genau. Im Blick lag, für wenige Sekunden, der ihm wohlbekannte Ausdruck des blanken Entsetzens.
    Den Rest hat dein Freund ausgetrunken, hatte sie also gesagt. Wer? fragte Mohaupt. Der junge Kranz, sagte Katherina. Richard Kranz? fragte Mohaupt. Sie nickte. Wieso ist Richard Kranz nach Thennberg gekommen? fragte er. Aus dem Kazet, sagte sie. Hat er überlebt? fragte er. Er ist ja da gewesen, sagte sie. Natürlich, sagte Mohaupt, hat er bei uns gewohnt? Sie schüttelte den Kopf. Hat er im Schloss gewohnt? fragte Mohaupt. Bei Moravec, sagte Katherina. Wieso bei Moravec? fragte er. Moravec hat ihn zufällig getroffen und dann bei sich einquartiert, sagte sie. Er hätte ja im Schloss wohnen können, sagte Mohaupt. Er ist aber bei Moravec geblieben, sagte Katherina. Warum? fragte er. Weil Moravec einen Juden bei sich haben wollte für den Fall, die Russen oder irgendwelche andere wollten ins Haus einbrechen, und außerdem – sie beendete den Satz nicht. Was heißt das: Außerdem? fragte Mohaupt. Sie schwieg. Dass Moravec einen Juden im Haus haben wollte, war ja für Kranz kein Grund, wirklich bei ihm zu bleiben, sagte Mohaupt. Katherina schwieg immer noch. Sagen wir, er hat sich verliebt, sagte sie endlich. Wieso: sagen wir? fragte Mohaupt. Und so ging das weiter noch ein paar Minuten lang, er fragte vernünftig, und sie gab Antworten, die keine waren, sagte Dinge wie „Ein junger Mann verliebt sich ja leicht“, oder „Vielleicht war es gar keine Liebe“, und dabei begann ihr Blick plötzlich fiebrig zu leuchten. Sie sah ihren Mann entsetzt an. Dann senkte sie den Blick und sah nicht mehr auf, und Mohaupt hörte auf

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