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Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Titel: Thennberg oder Versuch einer Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gyoergy Sebestyen
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kleineren und auch von völlig privaten Bauunternehmern ausgeplünderten und auch sonst ziemlich verwitterten Bau von einem der früheren Besitzer anscheinend völlig ordnungsgemäß erworbenhatte), an einem heißen Sommertag, war Mohaupt mit seiner Frau nach Geschäftsschluß an die Donau gefahren, in ein Fischrestaurant. Katherina las jede Zeile der Speisekarte zwei- oder dreimal, fragte, ob dieser Fisch nicht zu fett wäre, der andere nicht zu viele Gräten habe, sagte dann, alle Donaufische schmeckten nach Schlamm, sagte es irgendwie herausfordernd, in der Hoffnung, Mohaupt würde ihr widersprechen, und tatsächlich sprachen sie dann eine Weile darüber, ob die Donaufische wirklich schlammeln, wie man das nannte, oder nicht, und als dann der Kellner kam, bestellte Mohaupt Karpfen nach serbischer Art, und Katherina fragte den Kellner, ob es im Lokal einen Fisch gebe, der nicht nach Schlamm schmecke, und als der Kellner daraufhin verwirrt lächelte und den Kopf schüttelte, sagte sie, sie wolle Wein haben, gleich einen halben Liter, „wenn mein Mann mittrinken will, bringen Sie einen ganzen“, und nachdem der Kellner gegangen war, fragte sie endlich: Hast du gehört? Mohaupt säuberte sich die Augengläser und sah, ohne Brille, das verschwommene Bild eines Frauenkopfes. Der Kellner brachte den Wein, Katherina trank, Mohaupt setzte sich die Brille auf und nahm einen Schluck Wein in den Mund, er roch nach Säure und nach Schwefel. Hast du gehört? fragte ein zweites Mal Katherina, die Herren Mörder kaufen sich Schlösser und Gott bestraft sie nicht, Gott wird sie niemals bestrafen, nicht im Diesseits und nicht im Jenseits, Gott liebt zwar die Tauschgeschäfte, aber von den Mördern wendet er sich ab, er hält sie der Strafe nicht für würdig. Hat Moravec jemanden umgebracht? fragte Mohaupt behutsam leise, während er aber dieFrage aussprach, dachte er bereits, dass er sie lieber hätte verschweigen sollen, und da er den Satz nun einmal doch ausgesprochen hatte, legte er als Zeichen einer hilflosen Entschuldigung die Hand auf den Arm seiner Frau, eine große knochige Hand, sie lag väterlich besänftigend auf der mit Sommersprossen gesprenkelten Haut. Katherina sah auf die fünf knochigen Finger hinunter, betrachtete sie wie verwundert, als hätte sie noch nie im Leben eine Hand gesehen, keine wenigstens, die ihren Arm berührte, hob dann den Kopf, blickte auf die Lichter des anderen Ufers und trank dann hastig ihr Glas leer. Ihr Blick war wiederum rastlos fiebrig geworden und danach starr, ein scheinbar vollkommen leerer Blick, nicht mehr empfindlich für buntbedeckte Restauranttische, vom elektrischen Licht beleuchtete Äste, herumsitzende Leute, schwitzende Kellner, ganz nach innen gerichtet, auf einen einzigen Punkt der Hirnsubstanz. In fünf, nein, in zwei Minuten ist alles vorüber, dachte Mohaupt, sie ist immer noch krank, sie muss zu sich kommen, muss vergessen können, muss gesund werden, sie allein ist wichtig, die anderen kann der Teufel holen, ob sie Mörder sind oder keine. Er nahm die Hand von ihrem Arm, wartete, wollte sie trösten mit irgendeinem kurzen Satz wie „Was hast du denn, Kathi?“ (so hatte er sie anfangs genannt, Kathi, so nannte er sie immer noch manchmal, nachts, Kathi war ihr geheimer nächtlicher Name geworden) oder „Nimm es nicht so tragisch“ oder „Komm doch, ich bin ja da“, aber er hielt es dann für besser, doch nichts zu sagen, sie allein zu lassen mit einem Gefühl, das er mit ihr nicht teilen konnte. Endlich fand er einen Satz, von dem er glaubte, er könnteihn aussprechen, ohne sie noch mehr zu erregen, er fragte: Willst du nicht doch etwas essen? Sie nickte. Ein Kellner kam vorbei, ein älterer, dicklicher Mann, Mohaupt winkte ihn zum Tisch, Katherina sah mit ihrem starren entsetzten Blick in das rötliche, gedunsene, fett glänzende Gesicht und sagte: Ja, ja, etwas essen, Wiener Schnitzel. Salat extra? fragte der Kellner. Katherina blickte erstaunt und wie nach Hilfe suchend auf ihren Mann. Tomatensalat? fragte Mohaupt. Tomatensalat, sagte Katherina. Der Kellner ging. Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. Du hättest Paradeiser sagen sollen, sagte sie dann, seitdem du bei der Wehrmacht gewesen bist, redest du nur mehr reichsdeutsch.
    Ein paar Tage später ging Mohaupt auf den Friedhof, es war der Todestag seines Vater, nein, der Todestag seiner Mutter, er wusste es nicht genau, obwohl er, wie er sich einzubilden suchte, nur auf den Friedhof ging, um den Todestag

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