Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
Elsa wollte einen Anruf durchstellen. » Den muss ich annehmen, Theo. Ich glaube, dein Vater möchte dich sehen.«
» Okay, Mom. Was gibt’s zum Abendessen?«
Das war ein Scherz. Es war Mittwoch, und mittwochs holten sie sich immer chinesisches Essen vom Golden Dragon. Mrs. Boone war zu beschäftigt, um sich in der Küche zu betätigen.
» Ich glaube, heute Abend nehme ich Shrimps süß-sauer«, meinte sie.
» Klingt gut«, verkündete Theo, während er und Judge aufstanden und das Büro verließen.
Vier
In letzter Minute entschied sich Theo gegen Shrimps süß-sauer und nahm stattdessen das knusprig gebratene Rindfleisch. Es war eine von Judges Leibspeisen. Sein Vater holte das Essen vom Chinesen, und Punkt sieben Uhr saßen die Boones mit ihren hölzernen Klapptabletts im Fernsehzimmer. Mr. Boone sprach wie üblich ein kurzes Dankgebet, und alle griffen zu. Judge wartete geduldig neben Theos Stuhl, freute sich aber offenkundig schon aufs Essen.
Die Fernbedienung hatte Mrs. Boone . Vor einigen Monaten hatte die Familie ein Friedensabkommen geschlossen und vereinbart, dass jeden Mittwoch ein anderes Familienmitglied die Kontrolle übernehmen durfte. Wenn einer die Fernbedienung hatte, mussten sich die beiden anderen jeden Kommentar verkneifen. Nachdem sie ein paar Bissen gegessen und ein paar Bemerkungen über die große Debatte geäußert hatte, schaltete Mrs. Boone schließlich den Fernseher ein und fing an, ziellos herumzuzappen. Der Ton war aus. Das einzige Geräusch machte Judge, der das knusprige Rindfleisch verschlang. Wenn Mr. Boone oder Theo die Fernbedienung hatten, schalteten sie sofort ihre Lieblingssendung ein: die Wiederholungen von Perry Mason. Aber Mrs. Boone surfte nur und interessierte sich im Grunde für gar nichts. Sie sah nur wenig fern und hatte immer versucht, Theo davon abzuhalten.
Schließlich blieb sie bei einer Sendung hängen, die sich Strattenburg Today nannte, einer schlecht gemachten Zusammenfassung brandaktueller Nachrichten, sofern es die in Strattenburg gab. Normalerweise war das nicht der Fall. Mrs. Boone schaltete den Ton ein, und plötzlich blickten sie in das aufgesetzte Grinsen ihres Gouverneurs. Dazu ertönte die Stimme eines unsichtbaren Reporters.
» Gouverneur Waffler kündigte bei seinem heutigen Besuch in Strattenburg einen überarbeiteten Plan an, nach dem die Red-Creek-Umgehungsstraße endlich gebaut werden soll. Die neue, dreizehn Kilometer lange Straße wird zweihundert Millionen Dollar kosten und ist seit Jahren heftig umstritten. Gouverneur Waffler traf mit führenden Vertretern der örtlichen Wirtschaft und ausgewählten Amtsträgern zusammen, die sich für die Ortsumgehung einsetzen. Er erklärte, das Verkehrsministerium habe Anweisung, dem Bauprojekt Priorität einzuräumen und die erforderlichen Gelder bereitzustellen.«
Die Kamera fuhr zurück, um eine Übersichtsaufnahme des Gouverneurs zu zeigen, der mit einer Gruppe ernst dreinblickender Männer im Hintergrund in ein Mikrofon sprach.
» Das ist doch nicht zu fassen«, sagte Mrs. Boone .
» Was ist eine Umgehungsstraße?«, fragte Theo.
» In diesem Fall«, erwiderte seine Mutter, » ist es eine Straße, die ins Nirgendwo führt, mindestens zweihundert Millionen Dollar kosten wird und die Fahrzeit für Lkws gegenüber der Strecke durch Strattenburg um fünf Minuten verkürzt.«
Mr. Boone meldete sich zu Wort. » Man könnte auch sagen, es ist eine dringend benötigte vierspurige Schnellstraße, die die Battle Street mit ihren ständigen Staus entlastet.«
» Das Ding ist ein Millionengrab«, konterte Mrs. Boone . » Vor fünf Jahren hat ein konservativer Steuerzahlerbund– jemand von deiner Fraktion, Woods– das Projekt als die drittgrößte Verschwendung von Steuergeldern in den Vereinigten Staaten bezeichnet.«
Mr. Boone hielt dagegen. » Und laut einer Studie der Handelskammer sind die Staus in der Battle Street so schlimm, dass sie Wachstum und Entwicklung blockieren.«
» Zweihundert Millionen Dollar für fünf Minuten«, schimpfte Mrs. Boone . » Einfach unglaublich.«
» Du kannst den Fortschritt nicht aufhalten«, sagte Mr. Boone .
Eine unheilvolle Pause trat ein, die Theo nutzte. » Tut mir leid, dass ich gefragt habe.«
Einen Augenblick lang lauschten sie dem Gouverneur und aßen wortlos. Dann trat ein Senator des Bundesstaates, ein Einheimischer, ans Rednerpult und schwafelte von dem besseren Leben, das die Umgehungsstraße Stadt und County bringen sollte. Er wirkte nicht sehr
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