Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
aufgelegt?«, fragte Theo.
» Jetzt hast du dich aber auf unsicheres Terrain begeben«, sagte Mrs. Boone und lachte wieder.
» Ja, das ist höchst kompliziert«, gab Mr. Boone zu. » Das erkläre ich dir ein anderes Mal. Wichtig ist zu wissen, dass Staat und Kommunen nicht so handeln, wie sie sollten. Deine Mutter und ich arbeiten hart. Wir vertreten unsere Mandanten. Wir verdienen uns unser Honorar. Wir geben Geld für Gehälter, Büroausstattung, Stromrechnungen und solche Dinge aus. Aber wir können nicht mehr ausgeben, als wir verdienen. So einfach ist das. Die meisten Familien und Unternehmen verhalten sich ebenso oder versuchen es zumindest. Beim Staat und den Kommunen sieht das anders aus. Die geben alle zu viel aus, machen zu viele Schulden und verschwenden zu viel Geld.«
» Müssen Sie das geliehene Geld denn nicht zurückzahlen?«, hakte Theo nach.
» Theoretisch, ja, aber das wird der nächsten Generation überlassen. Unsere Generation hat das Land praktisch in den Bankrott getrieben, und deine Generation muss die Rechnung begleichen.«
» Na, herzlichen Dank!«
» Keine Ursache.« Mr. Boone stopfte sich eine halbe Frühlingsrolle in den Mund, damit er eine Weile kauen musste und nichts sagen konnte.
Glücklicherweise hatte der Gouverneur das Feld geräumt, und beim nächsten Bericht ging es um einen Professor am Stratten College, der sich über die niedrigen Gehälter der Hausmeister auf dem Campus ereiferte. Er hatte vor dem Verwaltungsgebäude einen Protest organisiert, aber seine Demonstranten schienen ausschließlich Hausmeister zu sein. Der Professor hatte langes graues Haar, trug Ohrringe und sprach mit schriller Stimme.
» Der wilde Willie Webber«, sagte Mr. Boone . » Dem ist auch nichts zu blöd.«
» Wer ist das?«, fragte Theo.
» Einer unserer örtlichen Prominenten. Er lehrt am College Russisch und hält sich für einen Kommunisten. Macht ständig Ärger oder versucht es zumindest.«
Mrs. Boone war natürlich anderer Meinung. » Tatsächlich ist er ein sehr engagierter Aktivist, der sich für verschiedene Anliegen einsetzt.«
» Was ist ein Aktivist?«, fragte Theo, der für jedes neue Wort eine Definition haben wollte.
Mrs. Boone überlegte einen Augenblick. » Ein Aktivist ist jemand, der sich für ein oder mehrere Themen persönlich engagiert, weil er etwas verändern will. Woods?«
Woods nickte. » Ja, das kommt hin. Ich würde sagen, ein Aktivist ist normalerweise an mehreren Fronten aktiv. Man begegnet immer wieder denselben Gestalten.«
» Da könntest du recht haben«, gab sie zu.
Judge hatte ein Auge auf eine von Mr. Boones verbliebenen Frühlingsrollen geworfen, aber er wusste, dass er schlechte Karten hatte. Also ging er erst einmal in die Küche, um zu trinken, bevor er sich im Fernsehzimmer vor Mr. Boone aufbaute und die Frühlingsrollen unverwandt anstarrte.
» Verschwinde, Judge«, befahl Mr. Boone .
» Dad, er liebt Frühlingsrollen«, sagte Theo.
» Ich auch, und ich habe keine Lust, sie mit ihm zu teilen.«
» Chinesisches Essen ist sowieso nichts für den Hund«, warf Mrs. Boone ein. Etwas in der Art äußerte sie praktisch bei jeder Mahlzeit, wenn Theo anfing, Judge vom Tisch zu füttern. Weder Mr. noch Mrs. Boone fanden es gut, Hunden von den Mahlzeiten der Familie abzugeben. Zumindest behaupteten sie das ständig, unternahmen aber nichts dagegen, dass Theo genau das tat. Mr. Boone warf Judge selbst ab und zu ein oder zwei Brocken hin, wofür er wiederum von Mrs. Boone ermahnt wurde. Das ignorierte er geflissentlich und rief dafür seinerseits Theo zur Ordnung, wenn der den Hund fütterte.
Ein merkwürdiges Verhalten. Theo wunderte sich oft über die Dinge, die seine Eltern sagten und taten. Zum Beispiel sagte Mrs. Boone jeden Abend gegen neun Uhr, wenn seine Eltern lasen, sich unterhielten oder in der Küche herumräumten: » Woods, du bist mit dem Kaffee dran.« Jeden Abend nach dem Essen mahlte Mr. Boone die Kaffeebohnen, füllte den Wasserbehälter, stellte die Zeitschaltuhr der Kaffeemaschine ein und bereitete alles für die erste Kanne vor, die jeden Morgen um sechs Uhr automatisch durchlief. Beide wurden gern vom Duft frischen Kaffees geweckt, obwohl Mrs. Boone nicht viel davon trank. Mr. Boone dagegen lechzte geradezu nach Koffein und übernahm daher gern das kleine abendliche Ritual des Kaffeekochens. Es war seine Aufgabe, die er niemand anderem überließ. Die Bohnen mussten genau abgemessen werden. Das Wasser musste exakt bis zur
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