Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
stand im Bademantel am Herd und summte vor sich hin. Sein Vater hatte sich in den Wirtschaftsteil der New York Times vertieft. Judge winselte an der Hintertür, wahrscheinlich waren ihm die Düfte aus der Küche in die Nase gestiegen. Theo ließ ihn herein.
Die öffentliche Anhörung über die Umgehungsstraße sollte in knapp zwei Wochen vor dem Verwaltungsrat des County stattfinden, und es sah aus, als würde es hart auf hart kommen. Mr. Stak behauptete, fünfundsiebzig Prozent der Einwohner des County seien für die Umgehungsstraße und würden bei der öffentlichen Anhörung in Massen erscheinen, um Stärke zu zeigen. Unsinn, konterte Sebastian Ryan vom Umweltbeirat von Stratten County, für die Umgehungsstraße sei nur eine kleine Minderheit, die vor allem aus Geschäftsleuten bestehe, die das große Geschäft witterten. Die Gegner würden in Rekordzahl antreten.
Zum ersten Mal erwog Theo, tatsächlich zu der öffentlichen Anhörung zu gehen. Es war bestimmt interessant, sich das anzusehen. Hunderte empörter Bürger, die sich in Anwesenheit der fünf Verwaltungsratsmitglieder bekriegten. Es sah nach einer Schlacht aus, wenn auch in geschütztem Rahmen, weil vermutlich überall im Raum Polizeibeamte postiert sein würden, die für Ordnung sorgten. Theo bezweifelte, dass ihn seine Eltern hingehen lassen würden, aber der Gedanke gefiel ihm. Er beschloss, es sich zu überlegen und sie vielleicht später zu fragen.
» Ich schlage vor, wir gehen in den Frühgottesdienst«, sagte Mrs. Boone bei Pfannkuchen und Würstchen.
Mr. Boone nickte. » Von mir aus.«
» Von mir aus auch«, stimmte Theo zu. Was den Kirchenbesuch anging, hatte er eigentlich nichts zu sagen, aber er äußerte sich trotzdem gern dazu. Der Frühgottesdienst war deutlich angenehmer. Er ging von neun bis zehn Uhr und war nicht so spießig wie der Hauptgottesdienst um elf. Die Kleiderordnung war weniger formell, und die Kirche nicht so voll.
» Dann beeilt ihr euch besser«, sagte seine Mutter. Theo und sein Vater wechselten einen leicht genervten Blick. Es war kurz nach halb acht. Sie hatten also über eine Stunde, um sich fertig zu machen. Mr. Boone brauchte etwa zwanzig Minuten, um zu duschen, sich zu rasieren und sich anzuziehen. Theo, der sich noch nicht rasieren musste, schaffte es in fünfzehn Minuten. Beide wussten, dass Mrs. Boone mindestens eine Stunde brauchte, um sich fertig zu machen, sie hätte sich also besser an die eigene Nase gefasst. Aber sie hielten den Mund. Über manche Dinge regten sie sich lieber nicht auf.
Nach dem Mittagessen und lange nach dem Gottesdienst schleppte Theo sich widerwillig in sein Zimmer, um an einer Buchanalyse zu arbeiten. Er sollte sich auf drei Seiten mit den Hauptfiguren von Mark Twains Die Abenteuer des Tom Sawyer auseinandersetzen. Das Werk war eins von Theos Lieblingsbüchern, aber er hatte überhaupt keine Lust, einen Großteil seines Sonntagnachmittags mit dieser Hausaufgabe zu verbringen. Trotzdem trottete er die Treppe hinauf und schloss die Tür hinter sich. Doch das Buch war unauffindbar. Er suchte überall, ging dann nach unten ins Fernsehzimmer und suchte weiter.
» Vielleicht hast du es in der Kanzlei vergessen«, sagte seine Mutter. Volltreffer!Genau da musste das Buch sein.
» Bin gleich wieder da«, sagte Theo. Er radelte los und kam zehn Minuten später mit quietschenden Bremsen an der Hintertür von Boone & Boone zum Stehen. Er schloss auf und betrat den kleinen Raum, den er als Büro bezeichnete. Das Buch lag genau dort, wo er es gelassen hatte, auf einem Regal neben dem Poster mit dem Spielplan der Minnesota Twins.
Theo konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt allein in der Familienkanzlei gewesen war. Normalerweise ging es immer sehr geschäftig zu: die Anwälte telefonierten, Mandanten kamen und gingen, Drucker ratterten vor sich hin, Elsa dirigierte das Ganze und regelte den Verkehr, und Judge war stets auf der Suche nach einem Platz für ein Nickerchen oder etwas Essbarem. Jetzt, am Sonntagnachmittag, herrschte Totenstille. Es war unheimlich dunkel und ruhig, als Theo durch den Gang zu dem Fenster zur Straße schlenderte, hinter dem Elsas Schreibtisch stand. Das Besprechungszimmer mit den dunklen Ledersesseln und den Regalen, die sich unter der Last der Bücher bogen, wirkte düster und verlassen. Theo beschloss, dass ihm die Kanzlei lieber war, wenn sie voller Menschen war.
Der alte Holzboden knarrte unter seinen Füßen, als er zu seinem Büro zurückging. Früher war
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