Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
bloßstellen und ihn möglicherweise seinen Sitz im Verwaltungsrat kosten. Falls es vor der Abstimmung bekannt wurde, konnte es das Aus für die Umgehungsstraße bedeuten.
Allerdings war Theo klar, dass er sich im Besitz von Informationen befand, die er eigentlich nicht hätte haben dürfen. Wieder einmal hatte er in den geheimen Akten von Boone & Boone herumgeschnüffelt und war auf Dinge gestoßen, die er nicht hätte sehen sollen.
Was sollte er jetzt tun? Vielleicht konnte Ike es ihm sagen.
Dreiundzwanzig
Bis zum Ende des Schultags am Montag hatte die kleine Aktivistengruppe eine eindrucksvolle Liste von fast vierhundert Kindern und Jugendlichen beisammen, die in der Anlage Fußball spielten. Chase, der verrückte Professor und geniale Computerexperte aus der achten Klasse, der sich gelegentlich als Hacker betätigte, war ebenfalls für ihre Aktion rekrutiert worden. Anhand der Kennzeichen, die Theo und April am Samstag am Fußballkomplex gefilmt hatten, erstellte das Team eine Liste aller Pkws, Pick-ups und Transporter. In der Zwischenzeit attackierte Chase die Zulassungsunterlagen des County im Internet und hatte sich in weniger als dreißig Minuten Zugang zu einer Liste mit den Namen und Adressen aller Fahrzeughalter verschafft. Die führten wiederum zu den Namen vieler Kinder und Jugendlicher.
Bei manchen davon stießen sie sofort auf die zugehörigen Facebook-Seiten und E-Mail-Adressen, bei anderen klappte das nicht. Zumindest nicht auf Anhieb. Aber je länger die Aktivisten mit ihrer Liste herumspielten, an ihr arbeiteten und sie ergänzten, desto solider waren die Informationen, die ihnen zur Verfügung standen.
Ihr Plan nahm Gestalt an. Sie hatten sogar ihre eigene Facebook-Seite mit dem Titel » Umgehungsstraße ins Nirgendwo«.
Meistens empfand Theo seine montäglichen Besuche bei Ike eher als Pflicht, aber diesmal wollte er unbedingt mit seinem Onkel reden. Gegen fünf Uhr ließ er Judge in der Kanzlei zurück und flitzte mit seinem Rad davon. Ikes Büro lag nur fünf Minuten von Boone & Boone entfernt, wo er vor fünfundzwanzig Jahren Mitbegründer gewesen war. Die Kanzlei hatte sich im Laufe der Jahre bestens entwickelt und florierte, während Ike ohne Anwaltszulassung nehmen musste, was kam, und überwiegend Steuererklärungen für Menschen erstellte, die sowieso kein Geld hatten.
» Wie geht’s meinem Lieblingsneffen?«, fragte Ike, als Theo sich auf einen wackligen Stuhl fallen ließ.
Jeden Montag dieselbe Frage.
» Bestens, Ike, und wie sieht’s bei dir aus?«, erwiderte Theo, Ikes einziger Neffe.
Ike grinste und wedelte mit den Armen, als spräche sein Büro für sich selbst. So war es auch. Der vollgestopfte Raum wirkte schäbig und deprimierend, und in Ikes Leben sah es nicht viel anders aus.
» Besser geht’s nicht«, behauptete er trotzdem. » Willst du ein Bier?«
» Klar doch«, sagte Theo.
Ike griff in den kleinen Kühlschrank, der halb unter einer Arbeitsplatte verschwand, und holte zwei Getränke heraus– eine Flasche Bier und eine Dose Sprite. Theo bekam die Dose, während Ike wieder einmal eine Flasche öffnete. Im Hintergrund sang leise Bob Dylan.
Ike gönnte sich einen kräftigen Schluck. » Wie läuft’s in der Schule?«
» Schule ist Zeitverschwendung und langweilig«, sagte Theo. » Eigentlich gehöre ich ans College, damit ich mein Grundstudium absolvieren und mich auf das Jurastudium vorbereiten kann.«
» Du bist dreizehn, da ist es für das College noch etwas früh. Auf einem College-Campus würdest du mit deiner Zahnspange ganz schön dumm aussehen.«
» Danke für die freundliche Erinnerung, Ike.«
» Für den Augenblick bist du in der achten Klasse gut aufgehoben. Immer noch lauter Einsen?«
» So ziemlich.« Theo wollte sich auf keinen Fall auf noch eine nervige Diskussion über seine Noten einlassen. Er hatte keine Ahnung, wieso Ike glaubte, er habe das Recht, Theo wegen seiner Noten zu nerven. » Letzte Woche bin ich Joe Ford begegnet«, platzte er heraus, um ein für alle Mal vom Thema wegzukommen.
Ike trank noch einen Schluck. » Das war bestimmt ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst. Wo?«
» In der Kanzlei. Er hatte mit Dad irgendwas Rechtliches zu besprechen. Für Kinder hat er offenbar nichts übrig.«
» Wenn es nichts zu verdienen gibt, hält sich Joe Ford nicht mit Smalltalk auf.«
» Dann hat er Dad das Mandat entzogen. Er hat sich darüber aufgeregt, dass ich der Umgehungsstraße und den damit verbundenen kriminellen
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