Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
es einmal eine Abstellkammer gewesen. Um dorthin zu kommen, musste er durch zwei größere Archivräume, in denen sich unzählige weiße Pappkartons stapelten. Aber die Dinge waren im Wandel. Das Digitalzeitalter beförderte auch ältere Anwälte wie die Boones in die Welt papierloser Akten und Archive, und es war höchste Zeit, fand Theo. Warum mussten so viele Bäume daran glauben, um Unmengen von Papier zu produzieren, das kaum abgelegt schon seinen Wert verlor? Das hatte er mit seinen Eltern immer wieder diskutiert. Mit seinen dreizehn Jahren war Theo bereits ein Baumschützer.
Bevor die Akten endgültig in Kartons archiviert wurden, legten Dorothy und Vince sie auf einem Tisch ab. Als Theo vorbeiging, fiel ihm etwas ins Auge. Es war der Name Joe Ford, der groß auf einer dicken Mappe prangte. Offenbar hatte Mr. Boone seine Unterlagen aussortiert und weggepackt, nachdem Joe Ford ihm das Mandat entzogen hatte. Das war eher ungewöhnlich, weil Mr. Boone berüchtigt dafür war, stapelweise alte Akten in seinem Büro herumliegen zu haben, die seit Jahren nicht mehr benötigt wurden. Sein Bruder hatte dieselbe Angewohnheit.
Theo trat einen Schritt näher und las die Beschriftung auf den Fächern der Ford-Mappe. Auf einem stand Sweeney Road. Ihm war klar, dass er eigentlich nicht herumschnüffeln durfte, aber manchmal war seine Neugier unbezähmbar, vor allem, wenn es um die Kanzlei ging. Also öffnete er das Fach mit den Sweeney-Road-Unterlagen und blätterte durch einen zentimeterdicken Stapel Papier, bis er fand, was er suchte. Das Dokument war schlicht mit Option betitelt, und der potenzielle Käufer sicherte sich darin die Option, also das Recht, vom Verkäufer, einem gewissen Walt Beeson, achtzig Hektar Land zu erwerben. Aber wer war wirklich der Käufer? Auf dem Papier handelte es sich um eine neu gegründete Firma, die sich » Parkin Land Trust« oder PLT nannte und bei der aufgrund der Gesellschaftsform nicht ersichtlich war, wer dahintersteckte. Da er die Option in Joe Fords Akte gefunden hatte, ging Theo davon aus, dass sich » Fast Ford« einfach noch schnell eine Deckfirma zugelegt hatte, hinter der er sich verstecken konnte.
Die meisten Dokumente, die Immobilienbesitz und -transaktionen betrafen, mussten beim Gericht des County hinterlegt werden und waren öffentlich zugänglich. Das galt, wie Theo wusste, jedoch nicht für Optionen. Als er weiterlas, wurde ihm klar, dass die Gerüchte zutreffend waren. Mr. Beeson würde seine achtzig Hektar in der Nähe der Sweeney Road nur an PLT verkaufen, wenn der Verwaltungsrat des County die Umgehungsstraße genehmigte– sonst nicht. Dann sollte PLT Mr. Beeson einen Preis von 2,50 Dollar pro Quadratmeter zahlen, insgesamt also zwei Millionen Dollar. Wenn der Verwaltungsrat die Umgehungsstraße nicht genehmigte, schuldete PLT Mr. Beeson nur die fünfzigtausend Dollar für die Option und hatte keine weiteren Verpflichtungen.
In einem Absatz verpflichteten sich beide Parteien, die Option mit größter Verschwiegenheit zu behandeln. Geheimhaltung und Vertraulichkeit waren entscheidend für dieses Geschäft, das auf den ersten Blick völlig in Ordnung zu sein schien. Nichts Illegales. Bauträger wie Joe Ford verdienten ihr Geld damit, dass sie vorhersahen, welche Gebiete als nächste für die städtische Entwicklung interessant werden würden und dort bauten. Wenn ihre Vermutung richtig gewesen war, verdienten sie viel Geld. Wenn sie sich geirrt hatten, verloren sie viel.
Theo fragte sich, wie Ike von diesem Geschäft erfahren hatte, war aber nicht wirklich überrascht. Ike hatte überall in der Stadt seine Ohren. Theo blätterte weiter. Unterzeichnet war die Option von Walt Beeson als Verkäufer und einem Frederick Coyle als Vorstand von Parkin Land Trust. Keine Spur von Joe Ford, noch nicht. Auf einem anderen Fach entdeckte er die Aufschrift » Parkin Land Trust, Inc.«, und zog die Mappe heraus. Sie enthielt die Unterlagen über die Gründung der neu geschaffenen Kapitalgesellschaft PLT , die Mr. Boone erst vor einem Monat in die Wege geleitet hatte. Theo überflog Dokumente, Aktennotizen und sogar das handschriftliche Gekritzel seines Vaters, das er auf Anhieb erkannte. Das neue Unternehmen hatte vier Gesellschafter oder Anteilseigner: Joe Ford war mit fünfzig Prozent beteiligt, Frederick Coyle mit zwanzig Prozent, Stu Malzone ebenfalls mit zwanzig Prozent und Peter Kyzer mit zehn Prozent. Theo hatte noch nie von Coyle, Malzone oder Kyzer gehört und notierte
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