Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)
betrat leise den Raum, schloss die Tür und lehnte sich an die Wand. Er war als Zeuge der Direktorin zugegen.
» Alles in Ordnung, Baxter?«, fragte sie ohne das geringste Mitgefühl.
Baxter nickte kaum merklich.
» Und Theo? Ist das Blut auf deiner Unterlippe?«
Sie richtete sich steif auf und blickte noch drohender drein. » Ich will genau wissen, was vorgefallen ist.«
Keiner der Jungen zuckte auch nur mit der Wimper. Alle sieben Augen (Baxter sah gegenwärtig nur mit einem) hingen an irgendeinem unsichtbaren, aber offenkundig höchst faszinierenden Punkt auf der Tischplatte. Schweigen, während die Sekunden verstrichen.
Mrs. Gladwells Gesicht wurde immer röter, ihre Miene noch finsterer.
» Schlägereien sind ein schwerer Verstoß gegen die Hausordnung«, belehrte sie die Jungen. » Hier an der Schule tolerieren wir so etwas nicht, das wisst ihr, seit ihr in der fünften Klasse bei uns angefangen habt. Wer sich prügelt, wird automatisch suspendiert. Das bedeutet einen dauerhaften Eintrag in die Akte.«
Theo wusste, dass das schlimmer klang, als es war. Der Eintrag wurde zwar nicht mehr gelöscht, aber die Akte verblieb bei der Schule. Kein College, keine Uni, kein potenzieller Arbeitgeber würde jemals erfahren, dass ein Schüler wegen einer Schlägerei in der achten Klasse suspendiert worden war.
» Theo«, sagte sie streng. » Ich will wissen, was passiert ist. Sieh mich an, Theo.«
Theo hob langsam den Kopf und sah in das ziemlich furchteinflößende Gesicht seiner Direktorin.
» Erzähl mir, was los war«, befahl sie.
Theo, der ihrem Blick nicht standhalten konnte, konzentrierte sich auf einen Fleck an der Wand und biss die Zähne zusammen.
Von den vier Jungen war Theo die Führungspersönlichkeit, Griff war ein Mitläufer, Woody und Baxter schlossen sich im Allgemeinen der Mehrheit an. Wenn Theo den Mund hielt, taten es die anderen drei auch. Das war Mrs. Gladwells erster Fehler.
In einem Fall mit mehreren Beschuldigten empfahl es sich, diese einzeln zu befragen. Hätte Theo die Untersuchung geleitet, hätte er Griff allein in einen kleinen Raum mit mehreren finster dreinblickenden Erwachsenen gesperrt– mit Schulleitern, Trainern und anderen Autoritätspersonen, deren Wort Gewicht hatte. Die hätten sich Griff vorknöpfen und ihm erklären können, dass ihn die anderen drei beschuldigten. »Griff, Baxter sagt, du hast Theo gehänselt« oder »Griff, die anderen behaupten, du hast zuerst zugeschlagen« und so weiter.Griff hätte zunächst nicht glauben wollen, dass die anderen redeten, aber nach ein paar Minuten dieser Behandlung wäre er eingeknickt. Wenn er dann seine Version der Ereignisse erzählt hätte, hätte man ihm erklärt, sie stimme nicht mit der der anderen überein, es sei also offensichtlich, dass Griff lüge. Mit Lügen reite er sich natürlich immer weiter in die Tinte. Lügen und Prügeln– das sei gleichbedeutend mit einer noch längeren Suspendierung und Bewährungszeit. Griff hätte dann verzweifelt versucht zu beweisen, dass seine Version tatsächlich wahrheitsgemäß und zutreffend war. Hätte man diese Strategie auf alle vier angewandt, hätten sie gesungen wie die Vöglein, und die Wahrheit über die Rauferei wäre ans Licht gekommen.
Das hätte natürlich ein Täuschungsmanöver seitens der offiziellen Stellen erfordert, das vom Gesetz jedoch ausdrücklich erlaubt wurde. Mrs. Gladwells Taktik kam zwar ohne eine solche Täuschung aus, führte aber nicht zum Ergebnis. Theo war froh, dass ihr die Grundlagen polizeilicher Vernehmungstaktik fremd waren.
Er sagte gar nichts und richtete den Blick wieder auf die Tischplatte. Wenn er nicht redete, nicht petzte, wurden alle vier gemeinsam abgestraft.
Mrs. Gladwell setzte die Befragung fort. » Baxter, wem hast du das blaue Auge zu verdanken?«
Baxter ließ den Eisbeutel sinken und legte ihn auf den Tisch. Das Eis hatte seine Wirkung getan: Die Schwellung war ein wenig zurückgegangen.
Ich weiß nicht, hätte er fast geantwortet, biss sich aber auf die Zunge. Natürlich wusste er es. Lügen brachten nichts. Am besten war es, wie Theo gar nichts zu sagen und die Sache über sich ergehen zu lassen.
Eine lange Pause folgte, während Mrs. Gladwell auf die Antwort wartete. Die Atmosphäre war angespannt; alle wussten, dass es Ärger geben würde. Keiner der Jungen war jemals suspendiert worden, obwohl Woody und Baxter schon mehrere Verwarnungen kassiert hatten.
Mrs. Gladwell war bereits früh am Morgen darüber informiert
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