Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)
Polizei beschossen worden?«
» Nein. Du solltest dir überlegen, welche Feinde du haben könntest. Wer könnte sich an dir rächen wollen?«
Theo trank noch einen Schluck und dachte einen Augenblick nach. » Mom, Kinder haben keine Feinde. Es gibt immer Leute, die einen nicht mögen oder die man selbst nicht mag. Aber ich kenne keinen einzigen Menschen, den ich als meinen Feind bezeichnen würde.«
» Wenn du meinst. Welcher Mitschüler kann dich denn am wenigsten leiden?«
» Betty Ann Hockner.«
» Und warum?«
» Wir hatten vor ein paar Monaten eine Debatte, Jungen gegen Mädchen. Es ging um das Waffengesetz. Die Diskussion wurde recht hitzig, blieb aber immer fair. Wir gewannen die Debatte, was sie ziemlich geärgert hat. Ich habe später gehört, wie sie mich als Blödmann und Wichtigtuer bezeichnet hat. Seitdem sehe ich sie eigentlich jeden Tag, und wenn Blicke töten könnten, hätte es mich schon längst erwischt.«
» Du solltest dich mit ihr vertragen, Theo.«
» Auf gar keinen Fall.«
» Und warum nicht?«
» Weil ich Angst habe, dass sie mir die Kehle durchschneidet.«
» Traust du ihr zu, dass sie Reifen aufschlitzt und Scheiben einwirft?«
Theo schüttelte den Kopf. » Eigentlich nicht. Sie ist ein nettes Mädchen, allerdings nicht sehr beliebt. Irgendwie tut sie mir leid. Sie ist nicht unsere Verdächtige.«
» Wer dann?«
» Das weiß ich nicht. Ich denke noch darüber nach.«
» Du machst dich besser für die Schule fertig.«
» Mir ist nicht gut, Mom. Übelkeit und Kopfschmerzen. Ich bleibe wohl besser im Bett.«
Sie lächelte und zerzauste ihm das Haar, nahm ihm aber kein Wort ab. » Welche Überraschung! Wenn du nicht so oft krank spielen würdest, nur um nicht in die Schule zu müssen, würde ich dir manchmal sogar glauben, Theo.«
» Schule ist langweilig.«
» Da musst du durch. Wenn du Jura studieren willst, musst du zuerst die achte Klasse abschließen.«
» Wo steht denn das?«
» Das habe ich mir gerade ausgedacht. Weißt du, Theo, heute wird vielleicht kein einfacher Tag. Klatsch und Tratsch und wahrscheinlich ein paar Witzeleien. Beiß die Zähne zusammen und halt die Ohren steif. Du hast nichts Unrechtes getan. Du brauchst dich nicht zu schämen.«
» Ich weiß.«
» Und immer lächeln. Lächeln bringt Sonnenschein in die Welt.«
» Wird nicht einfach werden.«
Theo stellte sein Rad diesmal an einem anderen Fahrradständer ab, dem an der Cafeteria. Nachdem er es angekettet hatte, sah er sich unwillkürlich um. Wurde er beobachtet? Dieser Verfolgungswahn wurde allmählich lästig.
Es war 8.20 Uhr. Er hatte sich mit April Finnemore in der Cafeteria verabredet, wo die Schüler, die mit dem Bus kamen, einen Apfelsaft trinken oder lernen konnten, wenn sie zu früh dran waren. April war eine sehr gute Freundin, aber nicht seine Freundin. Theo vertraute ihr voll und ganz, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ihr Familienleben war ein einziges Chaos. Ihr Vater kam und ging, wie es ihm beliebte, ihre Mutter hatte psychische Probleme, und ihre älteren Geschwister hatten bereits die Flucht ergriffen. April wäre auch gern von zu Hause ausgezogen, war aber viel zu jung dafür. Ihr Traum war, als Künstlerin in Paris zu leben.
» Wie geht’s dir?«, fragte sie, als sie sich am Ende eines langen Tisches niederließen– so weit von den anderen Schülern entfernt wie nur möglich.
Theo biss die Zähne zusammen und hob den Kopf. » Mir geht’s gut. Mir fehlt nichts.«
» Dieser Mist ist im Internet überall im Umlauf. Das wird immer schlimmer.«
» Darauf habe ich keinen Einfluss, April. Ich bin unschuldig. Was soll ich tun? Willst du einen Apfelsaft?«
» Ja, gern.«
Theo ging durch die Cafeteria zu einer Theke, an der kostenlose Becher mit Apfelsaft bereitstanden. Er nahm zwei davon und war schon auf dem Rückweg, als eine Gruppe Siebtklässler anfing » Schuldig! Schuldig! Schuldig!« zu singen.
Theo sah sie an und fletschte die Zähne oder präsentierte vielmehr lächelnd seine Zahnspange, als wäre das alles ein großer Witz. Das schlimmste Großmaul war ein gewisser Phil Jacoby, ein ziemlich übler Bursche aus einem zwielichtigen Teil der Stadt. Theo kannte ihn, war aber nicht ihm befreundet. Ein paar andere Kinder stimmten in den Singsang ein. Aber bis Theo wieder an seinem Platz war, war kaum noch etwas davon zu hören. Sie hatten das Interesse verloren.
» Idioten!«, zischte April mit Blick auf die Jungen.
» Gar nicht beachten«, sagte Theo. » Wenn man
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