Theo
herumhüpfen, wenn sie nervös ihre Hände reiben, wenn ihre Zurufe bereitsflehende Untertöne annehmen, »Theo, bitte, komm jetzt endlich, wir wollen doch hier nicht übernachten!«, dann macht ihm das Gehen erst so richtig Spaß. Dann könnte es immer so weitergehen.
Theo unter Menschen
Es gibt nicht nur Theo. Das ahnte er sofort. Damit muss er leben. Damit lebt er im Übrigen gar nicht schlecht.
Wir verzichten auf eine detaillierte Rückblende zu den Anfängen, als die ersten Gestalten auftauchten, welche es waren, wie sie aussahen, und wie lange Theo brauchte, um sich davon zu erholen. Tatsache ist: Seit Theo da ist, sind Menschen um ihn beziehungsweise bei ihm oder mit ihm oder neben ihm. Oder unter ihm (auch im wörtlichen Sinn, wenn Theo zum Beispiel auf ihren Schultern sitzt). Er hat also bereits mehr als zweieinhalb Jahre Zeit gehabt, sich an die sogenannten Mitmenschen zu gewöhnen. Er hat die Zeit auch in dieser Hinsicht gut überstanden.
Würde man Theo fragen, was er denn glaubt, wozu die Menschen da seien, wäre seine Antwort wohl: »Für Theo.« Zumindest sinngemäß. Nein, Verzeihung, wahrscheinlich nicht einmal sinngemäß. Denn Selbstverständlichkeiten müssen nicht eigens erwähnt werden. Aber Theo würde mit dieser Art von Frage, so allgemein formuliert, gar nicht viel anfangen können. Da müsste man schon konkreter werden. Man müsste die Personen einzeln durchgehen, am besten in Form von kurzen Vorstellungsgesprächen. Dann könnte Theo über jede Person sagen, wozu sie seiner Meinung nach (gerade) da ist. Oder genauer: Wozu sie für ihn da ist.
Bei einigen Personen würden Theo spontan gleich mehrere Dinge einfallen. Diese Auserwählten treten für ihn multifunktional in Erscheinung, sie zeichnen hauptsächlich für sein körperliches Wohlbefinden und sein seelisches Gleichgewicht verantwortlich. Andere wiederum erfüllen für ihn nur einige wenige Zwecke, manche gar nur einen ganz bestimmten, meistens den der Unterhaltung. Und bei manchen Menschen wüsste Theo noch überhaupt nicht, wozu sie gut sein sollen und auf welche Weise sie sich einbringen oder nützlich machen könnten. Aber ihre Chance kriegen sie gewiss.
Nach ebensolchen Kriterien unterscheidet Theo enge Verwandte von guten Bekannten, Freunde von Zufallsbekanntschaften, entfernte Vertraute von völlig Fremden. Ja, und dann gibt es auch noch Kinder. Aber die sind für Theo nun wirklich ein eigenes Kapitel.
Theo ist unter anderem ein Kleinfamilienmensch. Er hat es gern exklusiv gemütlich mit Mama oder Papa. Oder, noch besser, mit beiden, weil sie selten einer Meinung sind. Es fällt dann kaum ins Gewicht, wenn ihm einer etwas verbietet. Der andere braucht nur ein schüchternes »So lass ihn doch!« in den Raum zu setzen. Theo vertreuherzigt dazu seinen Blick und nickt bekräftigend. Der gnädig gestimmte Elternteil braucht auch gar nichts zu sagen, wenn er sich dadurch einen Konflikt mit dem Partner ersparen kann. (Stimmenthaltungen werden ebenfalls Theo angerechnet.) Stets sind sie also zu zweit gegen einen, und Theo ist nahezuimmer einer der beiden. Das ist das Schöne am Leben zu dritt.
Wir könnten an dieser Stelle ziemlich kitschig werden, denn natürlich hat Theo Mama und Papa extrem gern. Er liebt sie sozusagen über alles (sieht man von gelben Fruchtzwergen, prall gefüllten Einkaufstüten und roten Ferraris ab). Die beiden wären sicher zu Tränen gerührt, wüssten sie, wie Theo über sie spricht, wenn sie nicht anwesend sind: gar nicht. – Es handelt sich also um verborgene Gefühle tiefer innerer Zuneigung, die sicher noch viele Jahre andauern werden. An Zeiten, in denen Theo seine eigene Wohnung haben will und keiner der beiden Alten Anstalten macht auszuziehen, wollen wir hier noch gar nicht denken.
Wir könnten an dieser Stelle aber auch einige kritische Bemerkungen über das Wesen der Oberhäupter eines Haushalts anbringen, selbstverständlich ganz in Theos Sinne. Und genau das werden wir jetzt auch tun, Punkt für Punkt.
Erstens: Was man immer hat, verliert an Reiz. Zweitens: Was man immer um sich hat, nervt mitunter. Drittens: Manchmal lassen sie sich gehen, und Theo wartet oft Stunden, bis er kriegt, was er haben will. Viertens: Sie sind Vertreter der absurden Theorie, dass es Dinge gibt, die nicht für Theo bestimmt sind. Fünftens: Sie erfrechen sich, diese Theorie auch in die Praxis umzusetzen. Und sie erdreisten sich, diese Erfrechung mehrmals täglich unter Beweis zu stellen.
Sechstens: Sie
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