Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
zu einem sicheren und nothwendigen gemacht.
Sowohl in Hinsicht auf die Wahrheit der Sache wie die Sicherheit des Staates und die Vermehrung der Frömmigkeit ist man deshalb zur Annahme genöthigt, dass das göttliche Recht oder das Recht über die geistlichen Dinge von dem Beschluss der höchsten Staatsgewalt abhängig sein und sie der Ausleger und Beschützer derselben sein muss; woraus folgt, dass sie auch der Diener des Wortes Gottes ist, welcher das Volk durch das Ansehn der höchsten Gewalt die Frömmigkeit lehrt, wie sie nach ihrem Beschluss dem allgemeinen Wohl angepasst ist.
Ich habe noch darzulegen, weshalb in den christlichen Staaten immer über dieses Recht gestritten worden ist, während doch die Juden, so viel ich weiss, niemals darüber zweifelhaft gewesen sind. Es kann allerdings ungeheuerlich erscheinen, dass eine so klare und nothwendige Sache immer in Frage gestanden, und dass die höchsten Staatsgewalten dieses Recht immer nur mit Streit, ja mit Gefahr des Aufstandes und zum Schaden für die Religion besessen haben. Könnte ich hierfür keinen sicheren Grund angeben, so würde ich gern glauben, dass die Ausführungen dieses Kapitels nur eine Theorie sind und zu jener Gattung von Spekulationen gehören, die keine Anwendung finden können. Allein wenn man die Anfänge der christlichen Religion betrachtet, so offenbart sich bald die Ursache davon. Denn die christliche Religion ist nicht zuerst von den Königen gelehrt worden, sondern von Privatpersonen, welche lange Zeit hindurch gegen den Willen der Staatsgewalt, deren Unterthanen sie waren, in Privatkirchen predigten, die heiligen Gebräuche einsetzten und verwalteten und Alles allein ohne Rücksicht auf die Staatsgewalt einrichteten und beschlossen.
Als nun nach Abschluss vieler Jahre die Religion die des Staates zu werden begann, so mussten die Geistlichen, welche sie festgestellt hatten, sie auch den Kaisern lehren, und damit konnten sie es leicht erlangen, dass sie als die Lehrer und Ausleger und Hüter der Kirche und als die Stellvertreter Gottes anerkannt wurden. Auch sorgten die Geistlichen vortrefflich dafür, dass die christlichen Könige später diese Macht sich nicht anmassen konnten, indem sie den höheren Dienern der Kirche und dem höchsten Ansieger der Religion die Ehe untersagten. Dazu kam, dass sie die Lehrsätze der Religion zu einer so grossen Zahl vermehrt und mit der Philosophie so vermengt hatten, dass der oberste Ausleger auch der vornehmste Theologe und Philosoph sein und Müsse für eine Menge nutzloser Spekulationen haben musste, was nur bei Privatpersonen, die Müsse genug übrig hatten, eintreffen konnte.
Bei den Juden verhielt sich die Sache aber ganz anders. Ihre Kirche begann gleichzeitig mit dem Staat, der unbedingte Inhaber der Staatsgewalt lehrte dem Volke auch die Religion, ordnete die heiligen Aemter und wählte deren Diener. Daher kam es, dass die königliche Macht bei dem Volke am meisten galt, und dass das Recht in den geistlichen Dingen wesentlich bei den Königen war. Denn wenn auch nach Mosis Tode Niemand die Staatsgewalt unbeschränkt besass, so war doch das Recht der Gesetzgebung sowohl in geistlichen Dingen wie sonst bei den Fürsten, und um in der Religion und Frömmigkeit belehrt zu werden, musste das Volk ebenso den höchsten Richter wie den Hohenpriester antreten (Deut. XVII. 9, 11), und wenn auch die Könige nicht dasselbe Recht wie Moses hatten, so hing doch die ganze Ordnung und das Wohl des geistlichen Dienstes von ihnen ab. Denn David richtete den ganzen Dienst des Tempels ein (1. Chronik XXVIII. 11, 12 u. f.); dann wählte er aus allen Leviten 24,000 zu dem Singen der Psalmen, und 6000, aus denen die Richter und Vorstände gewählt werden sollten, und 4000 Thürsteher, und 4000, die die Flöte spielen sollten (1. Chronik XXIII. 4, 5). Dann theilte er sie in Abtheilungen, deren Vorsteher er auch auswählte, und von denen jedesmal einer der Reihe nach den Dienst verrichtete (daselbst 5). Auch die Priester theilte er in so viel Abtheilungen. Damit ich nicht Alles einzeln darzustellen brauche, verweise ich den Leser auf die 2. Chronik VIII. 13, wo es heisst: »Der Gottesdienst sei so, wie ihn Moses eingerichtet, auf Befehl Salomo's im Tempel verwaltet worden,« und v. 14, »dass er selbst (Salomo) in seinen und der Leviten Aemtern die Priester in Abtheilungen eingetheilt nach dem Befehl des göttlichen Mannes David,« und in v. 15 bezeugt endlich der Geschichtschreiber: »dass
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