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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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sie in nichts von dem Gebote des Königs, was er an die Priester und Leviten erlassen, abgewichen seien; auch nicht in Verwaltung der Schatzkammer.« Daraus und aus der übrigen Geschichte der Könige erhellt klar, dass die ganze Hebung der Religion und der geistliche Dienst nur von dem Könige abgehangen hat; und wenn ich oben gesagt, dass die Könige nicht wie Moses den Hohenpriester wählen, Gott unmittelbar befragen und die Propheten verurtheilen konnten, die ihnen bei ihrem Leben weissagten, so habe ich dies nur gesagt, weil die Propheten nach ihrer Macht einen neuen König wählen und dem Vatermörder verzeihen konnten; aber sie konnten nicht den König, wenn er etwas gegen die Gesetze unternahm, vor Gericht laden und nach dem Recht gegen ihn verfahren. Wenn es deshalb keine Propheten gegeben hätte, welche dem Vatermörder auf besondere Offenbarung Verzeihung sicher gewähren konnten, so hätten die Könige das Recht zu allen geistlichen wie bürgerlichen Dingen gehabt. Deshalb haben die heutigen Inhaber der Staatsgewalt, wo keine Propheten bestehen und angenommen zu werden brauchen, da sie dem jüdischen Gesetze nicht zugethan sind, dieses Recht unbeschränkt, wenn sie auch verheirathet sind, und werden es immer behalten, wenn sie nur die Lehrsätze der Religion nicht zu sehr vermehren, noch mit den Wissenschaften vermengen lassen.
     
     
Zwanzigstes Kapitel
 
    Es wird gezeigt, dass in einem Freistaate Jedem erlaubt ist, zu denken, was er will, und zu sagen, was er denkt.
     
    Könnte man den Gedanken ebenso leicht gebieten wie der Zunge, so würde jeder Herrscher sicher regieren, und es gäbe keine gewaltsame Herrschaft; jeder Unterthan würde nach dem Willen der Gebieter leben und nur nach ihren Geboten bestimmen, was wahr oder falsch, gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht sei. Allein es ist, wie ich schon im Beginn von Kap. 17 gesagt, unmöglich, dass die Seele sich ganz in der Herrschaft eines Anderen befinde, da Niemand sein natürliches Recht oder sein Vermögen, frei zu denken und über Alles zu urtheilen, auf einen Anderen übertragen kann, noch dazu gezwungen werden kann. Deshalb gilt die Herrschaft für gewaltthätig, welche sich gegen die Gedanken richtet, und die Staatsgewalt scheint den Unterthanen unrecht zu thun und in ihr Recht einzugreifen, wenn sie Jedem vorschreiben will, was er als wahr annehmen, als falsch verwerfen, und durch welche Ansichten Jeder sich zur Gottesfurcht bestimmen lassen soll. Dies sind Rechte des Einzelnen, die Niemand, auch wenn er will, abtreten kann. Allerdings kann das Urtheil auf mannichfache und beinahe unglaubliche Weise eingenommen werden, so dass es, obgleich es nicht geradezu unter dem Befehl eines Anderen steht, doch von seinem Munde so abhängt, dass er der Herr desselben heissen könnte. Allein so viel auch die Kunst hier geleistet hat, so hat sie es doch niemals erreicht, dass nicht die Menschen immer Ueberfluss an eigenen Meinungen gehabt hätten, und dass nicht die Sinne ebenso verschieden wären wie die Geschmäcke. Selbst Moses, welcher nicht durch Lust, sondern durch göttliche Tugend den Sinn seines Volkes in hohem Maasse lenkte, da er für göttlich galt, der Alles nur nach Gottes Mittheilung sage und thue, konnte doch dem Gerede und den falschen Auslegungen des Volkes nicht entgehen. Noch viel weniger können es die anderen Monarchen, obgleich, wenn es wo möglich wäre, es in dem monarchischen Staat noch am ehesten und in dem demokratischen am wenigsten möglich sein würde, wo Alle oder ein grosser Theil des Volkes gemeinsam regiert, wie Jeder leicht einsehen wird.
     
    So sehr daher auch die höchste Staatsgewalt als die gilt, welche das Recht zu Allem hat und das Recht und die Frömmigkeit auslegt, so konnten die Menschen doch nie verhindert werden, über Alles nach ihrem eigenen Sinn zu urtheilen und bald von dieser, bald von jener Leidenschaft erfasst zu werden. Allerdings kann die Staatsgewalt alle mit ihr nicht Uebereinstimmenden mit Recht für Feinde erklären; aber ich spreche hier nicht von ihrem Recht, sondern von dem Nützlichen; denn ich räume ein, dass sie nach dem Rechte höchst gewaltsam regieren und die Bürger wegen unbedeutender Dinge hinrichten lassen könne; allein Niemand wird behaupten, dass dies verständig sei; ja, da dies nicht ohne grosse Gefahr für den Staat möglich ist, so kann man selbst die Macht und folglich auch das Recht zu solchen und ähnlichen Dingen ihnen absprechen, da dies Recht der höchsten

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