Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
zur besseren Ueberzeugung der Jünger herbeinimmt. Dasselbe gilt unbedingt von den Ausführungen und Zeichen der Apostel; ich brauche dies nicht weiter darzulegen, denn ich würde nicht zu Ende kommen, wollte ich alle Stellen der Bibel beibringen, die nur für Menschen und ihre Fassungskraft eingerichtet sind, und die nur zum grossen Schaden der Philosophie als göttliche Lehren vertheidigt werden können; es genügt, einige allbekannte erwähnt zu haben; die übrigen kann der eifrige Leser selbst erwägen.
Wenn nun auch das, was ich hier Über die Propheten und die Weissagung gesagt habe, vorzugsweise zu meiner Aufgabe, die Philosophie von der Religion zu trennen, gehört, so dürfte es doch, da ich die Frage im Allgemeinen behandelt habe, auch zweckmässig sein, zu untersuchen, ob die prophetische Gabe den Juden allein beigewohnt hat, oder ob sie ein Gemeingut aller Völker ist, und was von der Berufung der Juden zu halten ist. Dies wird den Inhalt des folgenden Kapitels bilden.
Drittes Kapitel
Ueber die Berufung der Juden, und ob die prophetische Gabe ihnen allein eigen gewesen.
Das wahre Glück und die wahre Seligkeit eines Jeden besteht mir in dem Genuss des Guten, aber nicht in dem Ruhme, dass er es allein und mit Ausschluss der Anderen geniesse. Denn wer sich deshalb für glücklicher hält, weil nur er und nicht auch die Uebrigen sich wohl befinden, oder weil er glücklicher als die Anderen ist, der kennt das wahre Glück und die wahre Seligkeit nicht, und die Fröhlichkeit, deren er geniesst, ist nur eine kindische, die blos aus Neid und Bosheit entspringt. So besteht z.B. das wahre Glück und die Seligkeit des Menschen nur in der Weisheit und Erkenntniss der Wahrheit, aber nicht darin, dass er hierbei den Anderen überlegen sei, oder dass Diese der wahren Kenntniss entbehren; dies kann seine Weisheit, d.h. sein wahres Glück durchaus nicht vermehren. Wer deshalb daran sich erfreut, ist neidisch und boshaft und kennt weder die wahre Weisheit noch die Ruhe des wahren Lebens. Wenn deshalb die Bibel, um die Juden zum Gehorsam des Gesetzes zu ermahnen, sagt, dass Gott sie vor anderen Völkern sich erwählt habe (Deut. X. 15); dass er ihnen nahe sei und den Uebrigen nicht so (Deut. IV. 4, 7); dass er nur ihnen gute Gesetze gegeben (ebendaselbst 8) und nur ihnen, mit Zurücksetzung der Uebrigen, sich offenbart habe (daselbst 32) u.s.w., so spricht sie nur ihrer Fassungskraft gemäss, da die Juden, wie in dem vorgehenden Kapitel gezeigt worden und Moses bezeugt (Deut. IX. 6, 7), die wahre Seligkeit nicht kannten. Denn sie wären fürwahr nicht weniger glücklich gewesen, wenn Gott Alle in gleicher Weise zum Heil berufen hätte, und Gott würde ihnen deshalb nicht weniger günstig gewesen sein, wenn er auch den Anderen ebenso nahe gewesen wäre, und ihre Gesetze würden nicht weniger gerecht und sie selbst nicht weniger weise gewesen sein, wenn jene auch Allen gegeben worden wären, und die Wunder Gottes würden seine Macht nicht weniger dargelegt haben, wenn sie auch anderer Völker wegen geschehen wären, und die Juden wären nicht weniger verpflichtet zur Verehrung Gottes gewesen, wenn Gott alle diese Gaben an Alle gleich ausgetheilt hätte. Wenn aber Gott dem Salomo sagt (1. Kön. III. 12), dass Niemand nach ihm wieder so weise wie er sein werde, so scheint dies nur eine Redensart für die Bezeichnung seiner ausserordentlichen Weisheit gewesen zu sein; und sei es, was es wolle, so kann man nicht glauben, dass Gott zur Vermehrung von Salomo's Glück ihm versprochen habe, später Niemand mehr solche Weisheit zuzutheilen; denn dies hätte die Einsicht Salomo's nicht vermehrt, und ein kluger König würde für ein so grosses Geschenk nicht weniger gedankt haben, auch wenn Gott gesagt, dass er Alle mit gleicher Weisheit beschenken werde.
Wenn ich nun auch annehme, dass Moses in den erwähnten Stellen seiner Bücher nach der Fassungskraft der Juden gesprochen habe, so will ich doch nicht bestreiten, dass Gott die Gesetze Mosis nur ihnen allein gegeben hat, und dass er nur zu ihnen gesprochen hat, und dass die Juden so viel Wunderbares wie kein anderes Volk erfahren haben. Ich will nur sagen, dass Moses in dieser Weise und durch solche Gründe die Juden überzeugen wollte, um sie nach ihrer geringen Fassungskraft mehr der Verehrung Gottes zuzuwenden; auch habe ich damit zeigen wollen, dass die Juden nicht durch Wissenschaft noch Frömmigkeit, sondern durch etwas ganz Anderes die übrigen
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