Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
sollte.
Ich gehe jedoch auf meinen Gegenstand zurück und will noch weitere Stellen der Bibel beibringen, welche für die Gebräuche nur körperliche Vortheile und nur für das allgemeine göttliche Gesetz die Seligkeit verheissen. Unter den Propheten sagt dies Niemand deutlicher wie Esaias; denn nachdem er in Kap. 58 die Heuchelei verdammt hat, empfiehlt er die Freigebigkeit und Liebe zu sich und den Nächsten und verspricht dafür: »Dann wird Dein Licht wie die Morgenröthe hervorbrechen, und Deine Gesundheit wird fortblühen, und Deine Gerechtigkeit wird vor Dir wandeln, und der Ruhm Gottes wird Dich 5 vergammeln u.s.w.« Dann empfiehlt er auch den Sabbath, für dessen fleissige Beobachtung er verspricht: »Dann wirst Du Dich mit Gott ergötzen, 6 und ich werde Dich reiten 7 lassen über die Höhen der Erde und ich werde machen, dass Du die Erbschaft Jacob's Deines Vaters issest, wie des Jehovah Mund gesagt hat.« Hier sieht man, wie der Prophet für die Freiheit und Liebe eine gesunde Seele in einem gesunden Körper und Gottes Ruhm auch nach dem Tode verspricht; aber für die Gebräuche nur die Sicherheit des Reiches, die Wohlfahrt und das Glück des Körpers. - In den Psalmen XV. und XXIV. werden die Gebräuche nicht erwähnt, sondern nur moralische Lehren; denn sie handeln nur von der Seligkeit; nur sie wird vorgestellt, wenn auch nur gleichnissweise; denn offenbar werden da unter dem Berge Gottes, unter seinem Zelte und deren Bewohnung der Seligkeit Seelenruhe, aber nicht der Berg zu Jerusalem und die Laubhütte Mosis gemeint; denn diese Orte wurden von Niemand bewohnt und nur von den zu Stamm Levi Angehörigen verwaltet. - Ferner verheissen alle im vorigen Kapitel beigebrachten Aussprüche Salomo's nur für die Pflege der Einsicht und Weisheit die wahre Seligkeit, nämlich, dass nur daraus die Furcht Gottes verstanden und die Erkenntniss Gottes erlangt werde. Dass die Juden nach Zerstörung des Reiches nicht mehr an die Beobachtung der Gebräuche gebunden sind, erhellt aus Jeremias, der bei seinem Gesicht von der nahe bevorstehenden Zerstörung der Stadt sagt: »Gott liebe nur Die, welche wissen und einsehen, dass er selbst die Barmherzigkeit, das Gericht und die Gerechtigkeit übt. Deshalb werden in Zukunft nur Die des Lobes würdig erachtet werden, die dieses wissen werden« (man sehe IX. 23), d.h. Gott verlange nach der Zerstörung der Stadt nichts Besonderes von den Juden und in Zukunft nur die Beobachtung des natürlichen Gesetzes, wie es für alle Sterbliche gelte. Das Neue Testament bestätigt dies; denn darin werden, wie gesagt, nur moralische Kegeln gegeben, und nur dafür wird das Himmelreich verheissen; dagegen beseitigten die Apostel die Gebräuche, nachdem Sie das Evangelium auch anderen Völkern zu lehren begannen, deren Staatsrecht ein anderes war. Wenn die Pharisäer nach dem Untergange des Reiches diese Gebräuche, wenigstens zum grösseren Theil, beibehielten, so geschah es mehr aus Gegnerschaft gegen die Christen, als um Gott zu gefallen. Denn nach der ersten Verwüstung der Stadt, als sie nach Babylon in die Gefangenschaft kamen, vernachlässigten sie, da sie damals, so viel ich weiss, noch nicht in Sekten gespalten waren, sofort die Gebräuche, ja sagten dem Gesetze Mosis ganz Lebewohl und übergaben das väterliche Recht, als überflüssig, der Vergessenheit und begannen sich mit den übrigen Völkern zu vermischen, wie aus Hezra und Nehemia genügend erhellt. Deshalb sind die Juden unzweifelhaft nach Auflösung ihres Reiches nicht mehr so an das Gesetz Mosis gebunden, wie vor Beginn ihrer Gemeinschaft und ihres Staates. Denn so lange sie unter anderen Völkern vor dem Auszug aus Aegypten lebten, hatten sie keine besonderen Gesetze und waren nur an das Naturrecht und unzweifelhaft an das Recht des Staates, in dem sie lebten, gebunden, soweit es dem göttlichen Gesetze nicht widersprach, und wenn die Erzväter Gott Opfer gebracht haben, so ist es, glaube ich, geschehen, weil sie ihren Geist, der von Kindheit ab an die Opfer gewöhnt war, mehr zur Andacht anregen wollten. Denn alle Völker hatten seit der Zeit Enoch's sich an die Opfer gewöhnt und fanden darin die meiste Anregung zur Andacht. Deshalb opferten die Erzväter nicht auf Geheiss eines göttlichen Gesetzes oder in Folge der Belehrung über die allgemeinen Grundlagen des göttlichen Gesetzes, sondern blos in Folge der Sitte der damaligen Zeit, und wenn es auf Jemandes Befehl geschah, so war dies nur der des Rechts des
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