Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Denn er beginnt so: »ein Jahr war Saul geboren, als er regierte, und zwei Jahre hat er über Israel regiert.« Wer sieht hier nicht, dass die Zahl der Jahre bei dem Alter des Saul, als er die Regierung erlangte, weggeblieben ist? Ebenso unzweifelhaft folgt aus der Geschichte selbst eine grössere Zahl von Jahren. Denn in Kap. 27 v. 7 dieses Buches heisst es, dass David bei den Philistern, zu denen er wegen Saul geflohen war, ein Jahr vier Monat geblieben sei; dann wären aber nur acht Monate für die übrigen Ereignisse geblieben, was Niemand glauben kann. Josephus hat wenigstens am Ende des Buch VI. seiner Alterthümer den Text so verbessert: »Saul herrschte also bei Lebzeiten Samuel's 18 Jahre und nach dessen Tode noch 2 Jahre.« - Ebenso stimmt diese ganze Geschichte Kap. 13 nicht mit dem Vorgehenden. Zu Ende von Kap. 7 wird erzählt, dass die Philister von den Juden so geschlagen worden, dass sie bei Lebzeiten Samuel's es nicht gewagt, die Grenzen Israel's zu überschreiten; hier dagegen, dass die Juden bei Lebzeiten Samuel's von den Philistern überfallen worden und zu so grossem Elend und Armuth gebracht worden, dass sie weder Waffen zu ihrer Vertheidigung noch Mittel für deren Anfertigung hatten.
Es würde grosse Mühe kosten, wenn ich alle diese Geschichten aus dem 1. Buch Samuelis so vereinigen wollte, dass man sie für die Arbeit und Anordnung eines Schriftstellers halten könnte. Indess kehre ich zu meiner Aufgabe zurück. Es müssen also der obigen Rechnung noch die Jahre der Regierung Saul's zugesetzt werden. Endlich habe ich auch die Jahre der Verwirrung bei den Juden nicht mitgezählt, weil sie aus der Bibel sich nicht ergeben. Ich kann der Zeit nicht entnehmen, wo das, was in Kap. 17 bis zu Ende des Buches der Richter erzählt wird, vorgefallen ist.
Hieraus erhellt, dass die wahre Zeitrechnung sich aus diesen Berichten nicht ergiebt, und dass sie selbst hierbei nicht übereinstimmen, sondern verschiedene Rechnungen haben, und man muss deshalb anerkennen, dass diese Geschichten aus verschiedenen Schriften gesammelt und weder geordnet noch geprüft worden sind.
Nicht geringer scheint der Unterschied in der Zeitrechnung bei den Büchern der Chronik der Könige Juda's und den Büchern der Chronik der Könige Israel's zu sein. In letzteren heisst es, dass Jerobeam, der Sohn Ahab's, die Regierung antrat im zweiten Jahre der Regierung Jerobeam's, des Sohnes von Josaphat (2. Könige I. 17); dagegen in Chronik der Könige Juda's, dass Jerobeam, der Sohn Josaphat's, zur Regierung kam im fünften Jahre der Regierung Jerobeam's, des Sohnes Ahab's (VIII. 16 daselbst). Vergleicht man überdem die Geschichten in den Büchern der Chronik mit denen in den Büchern der Könige, so findet man manche ähnliche Abweichungen, die ich hier nicht darzulegen brauche, so wenig wie die Erfindungen Derer, welche diese Geschichten mit einander in Uebereinstimmung zu bringen gesucht haben. Die Rabbiner verfahren hierbei ganz sinnlos, und die Kommentatoren, die ich gelesen, träumen, erdichten und thun der Sprache die grösste Gewalt an. So wenn es in 2. Chronik heisst, Aghazias sei 42 Jahr alt gewesen, als er regierte, so erdichten Manche, diese Jahre begönnen mit der Herrschaft des Homri und nicht von der Geburt Agazra's, und wenn sie dies als die Meinung des Verfassers der Bücher der Chronik erweisen könnten, so würde ich unzweifelhaft behaupten, er habe nicht sprechen können. In dieser Weise wird Aehnliches ausgedacht, und wäre dieses wahr, so würde ich geradezu sagen, die alten Juden hätten weder ihre Sprache noch die Weise zu erzählen gekannt, und ich könnte dann keine Regel und Unterlage für die Auslegung der Bibel anerkennen, und es wären alle Erdichtungen erlaubt.
Meint man, ich spreche hier zu allgemein und ohne genügende Grundlage, so möge man selbst mir die Ordnung in diesen Geschichten zeigen, welche ein Geschichtschreiber in seiner Erzählung ohne Fehler befolgen könnte, und man möge bei den Erklärungs-und Vereinigungsversuchen die Ausdrücke und Redewendungen und die Ordnung und Verbindung der Perioden so streng beobachten und erklären, dass sie nach dieser Erklärung beim Schreiben befolgt werden können. Vermag Jemand dies, so werde ich sofort ihm die Hand reichen, und er wird für mich der grosse Apoll sein. Denn ich gestehe, dass, so lange ich auch gesucht habe, ich nichts der Art je habe finden können. Ich füge hinzu, dass ich hier nichts schreibe, was ich nicht schon
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