Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
dass sie auf Gottes Anweisung sprechen; als: »So spricht Gott,« »es sagt Gott der Heerschaaren«, »das Gebot Gottes« u.s.w. Dieses geschah nicht blos in den öffentlichen Reden der Propheten, sondern auch in ihren Briefen, soweit sie Offenbarungen enthalten, wie aus dem des Elias an Jerobeam erhellt (2. Chronik. XXI. 12), der auch mit den Worten beginnt: »So spricht Gott.«
Dagegen findet sich nichts dergleichen in den Briefen der Apostel, vielmehr spricht 1. Korinth. VII. 40 Paulus nach seiner Meinung, und in sehr vielen Stellen trifft man auf einen schwankenden Sinn und bedingte Redensarten, wie (Röm. III. 28): »Wir sind also der Meinung,« und (daselbst VIII. 18): »denn ich meine,« u. dergl. m. Daneben finden sich andere Redensarten, die von der prophetischen Autorität sich ganz entfernen. So: »das aber sage ich als schwacher Mensch und nicht auf Befehl« (1. Korinth. VII. 6), »ich gebe den Rath als ein Mensch, der treu ist durch die Gnade Gottes« (daselbst VII. 25) und viele ähnliche. Wenn Paulus dabei in dem vorgehenden Kapitel sagt, dass er die Anschauung oder den Befehl Gottes habe oder nicht habe, so meint er keine solche von Gott offenbarte Anweisung oder einen Befehl, sondern nur die Lehren, welche Christus ihnen auf dem Berge gesagt habe.
Wenn man ferner auf die Art achtet, wie die Apostel in diesen Briefen die evangelische Lehre mittheilen, so zeigt sich auch da ein grosser Unterschied gegen die Art der Propheten. Die Apostel bringen überall Gründe herbei, so dass sie nicht zu prophezeien, sondern sich zu rechtfertigen scheinen. Dagegen enthalten die Weissagungen nur reine Lehrsätze und Beschlüsse, weil Gott selbst als redend in ihnen angeführt wird, der nicht begründet, sondern in der unbeschränkten Macht seiner Natur beschliesst. Auch das Ansehen der Propheten gestattet keine solche Rechtfertigung aus Gründen, denn wer dies thut, unterwirft sich damit von selbst dem Urtheil eines Jeden. Dies scheint auch Paulus wegen solcher Rechtfertigung gethan zu haben, indem er 1. Korinther X. 15 sagt: »Ich spreche zu Euch als Weiser, urtheilt über das, was ich sage.« Endlich ist diese Rechtfertigung nicht gestattet, weil die Propheten die Offenbarungen nicht vermöge des natürlichen Lichtes, d.h. nicht durch Vernunftgründe gewannen, wie ich im ersten Kapitel gezeigt habe.
Allerdings kommen auch in den fünf Büchern Mosis einige Rechtfertigungen durch Gründe vor; allein bei genauer Prüfung können sie nicht als unbedingte Anweisungen angesehen werden. So sagt z.B. Moses im 2. Buche XXXI. 27 den Israeliten: »Wenn Ihr, so lange ich unter Euch gelebt, aufrührerisch gegen Gott gewesen seid, so werdet Ihr es noch viel mehr nach meinem Tode sein.« Es ist nicht einzusehen, wie Moses die Israeliten durch Gründe überzeugen will, dass sie nach seinem Tode den Dienst des wahren Gottes verlassen werden; der Grund wäre falsch, und man konnte dies auch aus der Schrift selbst beweisen. Denn die Israeliten blieben getreu, so lange Josua und die Aeltesten lebten, und auch nachher, bei Lebzeiten Samuel's, David's, Salomo's u.s.w. Deshalb sind diese Worte Mosis nur eine moralische Ansprache, mit der er rhetorisch und in der lebhaften Vorstellung des späteren Abfalls des Volkes dieselbe voraussagt. Der Grund, weshalb ich meine, dass Moses dies nicht aus sich selbst gesagt, um seine Voraussagung wahrscheinlicher zu machen, und auch nicht als Prophet in Folge Offenbarung, ist, dass in demselben Kapitel v. 21 erzählt wird, Gott habe dies Moses mit anderen Worten offenbart, der über diese Vorausverkündung und diesen Beschluss Gottes nicht durch wahrscheinliche Gründe sicherer gemacht zu werden brauchte; aber es war nöthig, dass er sich dies in seiner Einbildungskraft lebendiger ausmalte, wie ich im ersten Kapitel dargelegt habe, und dies konnte nicht besser geschehen, als wenn es den gegenwärtigen Ungehorsam des Volkes, den er oft erfahren hatte, sich als einen zukünftigen vorstellte.
In dieser Weise müssen alle Begründungen, die sich in den fünf Büchern Mosis finden, verstanden werden; sie sind nicht aus dem Vorrath der Vernunft entlehnt, sondern nur Ausdrucksweisen, in denen er Gottes Beschlüsse kräftiger verkündete oder lebhafter vorstellte. Indess will ich nicht bestreiten, dass die Propheten auch bei der Offenbarung Gründe anwenden konnten; ich behaupte nur, dass, je mehr die Propheten mit Vernunftgründen vorgehen, desto mehr nähert sich ihre offenbarte
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