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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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die weder fehlerfrei noch ächt gewesen, abgeschrieben habe. Ja, oft zeigen die Kommentatoren, wenn sie Stellen vereinigen wollen, nur die Ursachen der Irrthümer. Endlich wird Niemand mit gesunden Sinnen glauben, dass die heiligen Schriftsteller absichtlich so geschrieben haben, dass sie sich theilweise widersprechen.
     
    Vielleicht entgegnet man mir, dass ich auf diese Weise die Bibel ganz umstosse; denn danach könne man sie überall für fehlerhaft annehmen. Allein ich habe damit vielmehr die Bibel gegen die Anbequemung und das Verderbniss ihrer klaren und richtigen Stellen durch die fehlerhaften geschützt. Auch kann man aus der Verderbniss einzelner Stellen nicht auf die von allen schliessen; denn es hat nie ein Buch ohne Fehler gegeben, und hat man es deshalb als ein überall fehlerhaftes betrachtet? Gewiss nicht, namentlich wenn die Rede klar und die Meinung des Verfassers deutlich zu erkennen ist.
     
    Damit habe ich das beendet, was ich zur Geschichte der Bücher des Alten Testaments bemerken wollte. Es ergiebt sich daraus, dass vor der Maccabäer Zeit noch kein Kanon der heiligen Bücher bestanden hat, sondern dass die jetzigen von den Pharisäern des zweiten Tempels, welche auf die Gebetformeln eingerichtet und aus vielen ausgewählt und lediglich nach ihrem Belieben ausgenommen worden sind. Wer mithin das Ansehen der heiligen Schrift beweisen will, muss dies von jedem einzelnen Buche thun, und die Göttlichkeit des einen reicht nicht für die der übrigen zu; man müsste denn annehmen, dass der Rath der Pharisäer bei dieser Auswahl der Bücher nicht habe irren können, was Niemand je beweisen wird. Der Grund für die Annahme, dass nur die Pharisäer die Bücher des Alten Testaments ausgewählt und in einen Kanon gebracht haben, ist, dass in Daniel, letztes Kapitel, v. 2, die Wiederauferstehung der Todten gepredigt wird, welche die Sadducäer leugneten; auch geben die Pharisäer im Talmud dies offen zu. Denn in der Abhandlung über den Sabbath II. Bl. 30 S. 2 heisst es: »R. Jehuda sagt im Namen Rab's, es suchten die Gelehrten das Buch der Chronik zu verbergen, weil dessen Worte den Worten des Gesetzes (d.h. dem Buch des Gesetzes Mosis) widersprechen. Weshalb haben sie es aber nicht verborgen? Weil es dem Gesetz gemäss anfängt und dem gemäss endigt.« Und etwas weiter: »und auch das Buch der Sprüche haben sie zu verbergen gesucht« u.s.w., und Kap. 1. Bl. 13 S. 2 dieser Abhandlung: »Fürwahr, nenne jenen Mann seiner Güte wegen, der da heisst Neghunja, Sohn des Hiskia; denn wäre er nicht gewesen, so wäre das Buch Ezechiel bei Seite gebracht worden, weil seine Worte den Worten des Gesetzes widersprechen« u.s.w. Hiernach haben offenbar die Gesetzkundigen berathen, welche Bücher sie als heilig aufnehmen, und welche sie ausschliessen wollten, um also über das Ansehen Aller sich zu vergewissern, muss man die Untersuchung von vorn beginnen und die Gründe bei jedem einzelnen Buche besonders untersuchen.
     
    Indess ist es nun Zeit, auch die Bücher des Neuen Testamentes in dieser Weise zu prüfen. Da ich indess höre, dass dies von Männern, die in Wissenschaften und Sprachen höchst erfahren, schon geschehen sei, und da ich keine so genaue Kenntniss des Griechischen habe, um diese Prüfung übernehmen zu können, und weil mir endlich hebräische Uebersetzungen dieser Bücher nicht zur Hand sind, so will ich mir dieses Geschäft erlassen und in dem folgenden Kapitel nur das zu meiner Aufgabe hauptsächlich Nöthige bemerken.
     
     
Elftes Kapitel
 
    Es wird untersucht, ob die Apostel ihre Briefe als Apostel und Propheten oder als Lehrer geschrieben haben; ferner wird das Amt der Apostel erklärt.
     
    Niemand, der das Neue Testament liest, kann zweifeln, dass die Apostel Propheten gewesen sind. Da indess die Propheten nicht immer, sondern nur sehr selten aus Offenbarung sprechen, wie ich am Ende des ersten Kapitels gezeigt habe, so kann man zweifeln, ob die Apostel als Propheten in Folge Offenbarung und ausdrücklichen Auftrages, wie Moses, Jeremias und Andere, geschrieben haben oder nur als Privatpersonen und Lehrer, zumal da Paulus in dem 1. Brief an die Korinther XIV. 6 von zwei Arten zu predigen spricht, die eine aus Offenbarung, die andere aus der Erkenntniss. Man muss deshalb zweifeln, ob sie in den Briefen prophetisch sprechen oder nur lehren. Giebt man auf ihre Schreibart Acht, so weicht sie von der der Weissagung ganz ab; denn die Propheten wiederholen fortwährend und bezeugen überall,

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