Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Kenntniss der Dinge der natürlichen. Das sicherste Zeichen für die übernatürliche Erkenntniss der Propheten bleibt, wenn sie reine Behauptungen oder Beschlüsse oder Aussprüche verkünden, und deshalb hat der grösste Prophet, Moses, keine Beweise aus Gründen benutzt.
Deshalb kann ich die langen Ausführungen und Begründungen des Paulus in dem Briefe an die Römer nicht als solche ansehen, die er in Folge übernatürlicher Offenbarung geschrieben hat, und deshalb zeigt die Art des Sprechens und Verhandelns in den Briefen der Apostel deutlich, dass diese Briefe nicht in Folge Offenbarung und göttlichen Befehls, sondern nur in Folge ihres natürlichen Beschlusses geschrieben worden sind. Sie enthalten nur brüderliche Ermahnungen, mit Artigkeiten gemischt, welche der prophetischen Autorität geradezu widerstehen; so die Entschuldigung des Paulus in dem Briefe an die Römer XV. 15: »Ich habe ein wenig zu kühn an Euch, meine Brüder, geschrieben.« Es ergiebt sich dies auch daraus, dass nirgends ein an die Apostel ergangener Befehl, zu schreiben, erwähnt wird; sie sollten nur überall predigen und ihre Worte durch Zeichen bestätigen. Diese ihre Gegenwart und die Zeichen waren zur Bekehrung und Befestigung der Völker im Glauben unbedingt nöthig, wie Paulus selbst Röm. 1. 11 ausdrücklich sagt: »Weil ich sehr Euch zu sehen wünsche, damit ich Euch die Gabe des Geistes mittheile, damit wir befestigt werden.«
Man könnte mir entgegnen, dass damit auch bewiesen werden könnte, die Apostel hätten auch nicht als Propheten gepredigt, weil, wenn sie hier- und dorthin zum Predigen gegangen, es auch nicht in Folge ausdrücklichen Befehls geschehen sei, wie sonst die Propheten gethan. So liest man im Alten Testament, dass Jonas nach Ninive zum Predigen gegangen, und zugleich, dass er ausdrücklich dahin gesandt worden, und dass ihm das, was er dort predigen sollte, offenbart worden. So wird auch von Moses ausführlich berichtet, dass er als Gesandter Gottes nach Aegypten gegangen, und dass ihm geheissen, was er dem Israelitischen Volke und dem König Pharao sagen, und welche Zeichen er zur Beglaubigung von ihnen bewirken sollte. Auch Elias, Jeremias, Ezechiel werden ausdrücklich zum Predigen angewiesen, und endlich haben die Propheten nur das gepredigt, was sie nach dem Zeugniss der Schrift von Gott empfangen haben.
Dagegen liest man im Neuen Testament von den Aposteln nichts Aehnliches, wenn sie hier- oder dorthin zum Predigen auszogen, seltene Ausnahmen abgerechnet; man findet im Gegentheil Mancherlei, was deutlich zeigt, dass die Apostel sich die Orte zum Predigen selbst ausgesucht. Dieses lehrt der Streit bis zur Uneinigkeit zwischen Paulus und Barnabas in Apostelgesch. XV. 17, 18 u.s.w. Auch haben sie manchmal den Weg vergeblich gemacht, wie Paulus Röm. I. 13 bezeugt, wo er sagt: »In dieser Zeit habe ich oft zu Euch kommen wollen, und ich bin verhindert worden;« Kap. 15 v. 22: »Deshalb bin ich viele Male gehindert worden, zu Euch zu kommen,« und letzte Korinth. I. 12: »und Apoll, meinen Bruder, habe ich viel gebeten, dass er mit den Brüdern zu Euch reiste, und er hatte keine Lust, zu Euch zu gehen; als er aber die Gelegenheit fand« u.s.w. Ich muss deshalb aus diesen Redensarten und Absichten der Apostel und daraus, dass, wenn sie zum Predigen wohin gingen, die Bibel nicht wie bei den alten Propheten sagt, sie seien auf Befehl Gottes gegangen, folgern, dass die Apostel auch nur als Lehrer und nicht als Apostel gepredigt haben.
Man kann diese Frage leicht lösen, wenn man den unterschied der Berufung der Apostel und der Propheten im Alten Testament beachtet. Letztere waren nicht berufen, allen Völkern zu predigen und zu prophezeien, sondern nur einigen besonderen, und deshalb brauchten sie für jedes einen besonderen ausdrücklichen Auftrag. Die Apostel wurden aber berufen, allen ohne Unterschied zu predigen und alle zum Glauben zu bekehren. Wohin sie daher auch gingen, so erfüllten sie Christi Befehl. Auch brauchte ihnen vorher das, was sie predigen sollten, nicht offenbart zu werden; denn sie waren die Schüler Christi, denen er gesagt hatte: »Wenn sie Euch überantworten werden, so seid nicht besorgt, wie und was Ihr sprechen sollt; es wird Euch zu dieser Stunde gegeben werden, was Ihr sprechen werdet« u.s.w. (Matth. X. 19, 20). Deshalb haben die Apostel nur das in Folge besonderer Offenbarung empfangen, was sie laut predigten und zugleich durch Zeichen bekräftigten (man sehe
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