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Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (German Edition)

Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (German Edition)

Titel: Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Paul Liessmann
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geborene Elitekonzeption. Hegel nannte solche Vertracktheit die List der Vernunft.
    Am Ende werden genau jene drei oder vier Prozent der Studierenden in den Genuß einer fundierten wissenschaftlichen Ausbildung kommen, die vor den Reformen die damals noch funktionierenden Universitäten besuchten. Die hohen Akademikerraten, die durch eine Inflation an Masters aller Art noch einmal geschönt werden, stellen so das größte bildungspolitische Täuschungsmanöver der Neuzeit dar.
    Der Ruf nach der Elite markiert nicht nur die Sehnsucht nach einer akademischen Spitze, er indiziert auch den prekären Zustand der Universitäten insgesamt. Die Programme, die den Universitäten unter Stichworten wie Hochschulzugang für alle, Emanzipation und Demokratisierung oktroyiert worden waren, haben letztlich die Universitäten in eine ausweglose Situation manövriert – und dies nicht unbedingt, weil die damit verbundenen gesellschafts- und bildungspolitischen Konzepte blanker Unsinn gewesen wären, sondern weil man sie mit Mitteln und unter Bedingungen erreichen wollte, die nicht genügten. Es mußte nach der Öffnung der Universitäten bald klar werden, daß die Bildungskatastrophe, die dadurch abgewehrt werden sollte, in dem Maß perpetuiert und verschärft wurde, in dem die Universitäten dadurch zu schlecht ausgestatteten, überlaufenen und bürokratisierten Monstren werden mußten, durch Mitbestimmungskonzepte zwar ideologisch aufgerüstet, in der Realität aber durch komplexe politische Interessenlagen, Unterdotierung und schlichte Überlastung gelähmt.
    Das Schreckgespenst der Massenuniversität hätte allerdings viel von seinem Schrecken verloren, hätte man sich den damit verbundenen Problemen angemessen gestellt. Daß an einer Universität Tausende studieren, ist an sich keine Tragödie. Die heute beschworene Idylle der angelsächsischen Campus-Universität, in der wenige Gelehrte mit wenigen Adepten eine innige Geistesgemeinschaft bilden, taugt zwar als poetisches Gegenbild zur Realität überfüllter Hörsäle, diskreditiert aber die Idee der großen Universität noch nicht. Auch an Massenuniversitäten kann das Betreuungsverhältnis gut sein – vorausgesetzt, es gibt genügend Professoren; auch an Massenuniversitäten kann erstklassige Forschung betrieben werden – vorausgesetzt, die Belastung durch Lehre und Verwaltung wird angemessen verteilt und bei Bedarf delegiert; auch an der Massenuniversität haben begabte und eifrige Studenten die Möglichkeit, sich zu profilieren – vorausgesetzt, es gibt genügend Seminare, in denen sie auffallen können.
    Umgekehrt könnte eine große Universität Vorteile bieten, an die die Möglichkeiten eines Campus nicht heranreichen. Eine Vielzahl von Professoren könnte einen fruchtbaren Methodenpluralismus und Methodenstreit an Ort und Stelle provozieren, umfassende Angebote verschiedener Studien und zahlreiche Forschungsfelder könnten dem alten Anspruch einer Universitas litterarum neues Leben einhauchen und die Provinzialität von Schwerpunkt- und Profilbildungen konterkarieren, und nicht zuletzt hat eine Massenuniversität das zu bieten, was die Attraktivität jeder Metropole ausmacht: Anonymität. Die Kontrollmöglichkeiten sind im überschaubaren Raum mit kleiner Besetzung wesentlich größer als in einem gut gefüllten Auditorium Maximum, und manch ein freier Geist bedarf weniger der permanenten Führung und Betreuung als des Gefühls, sich aus der Anonymität der vielen überhaupt erst entfalten zu können.
    Solche und andere Möglichkeiten haben die Betreiber der Massenuniversitäten allerdings verspielt, indem sie auf das möglichst reibungslose Durchschleusen großer Studentenzahlen als einziges Ziel setzten. Dies konnte bei den gegebenen Verhältnissen nur mit der Senkung der Ansprüche und mit dem Verlust von Wissenschaftlichkeit erkauft werden. Anstatt dem gegenzusteuern und den Universitäten ihre Universitas zurückzugeben, werden nun Eliteinstitute gefordert. Daß in den Gründungskomitees dieser Anstalten mitunter Rektoren jener Universitäten sitzen, die man zu reinen Ausbildungsstätten verkommen läßt, vervollständigt ein Bild, das durch ideologische Schaumschlägerei und praktischen Zynismus gekennzeichnet ist.
    Doch auch wenn man diese Entwicklung für notwendig hält – woher stammt eigentlich die neue Faszination für den Begriff der Elite? Warum genügt es nicht, das Scheitern der Universitätsreformen einzugestehen und deshalb die Gründung kleiner,

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