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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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MAUERBAU
    (»Peace in no time«)
    KENNEDY AUF STAATSBESUCH IN BERLIN
    (»There is no peace like your piece«)
    MASSIVE AMERIKANISCHE BOMBARDIERUNGEN VON NORDVIETNAM
    (»Peace off«)
    *
    (»Mein Leben als Spießer«)
    1961-1962. Ulrike Meinhof leidet seit einiger Zeit unter starken Kopfschmerzen. Röntgenbilder zeigen hinter der rechten Augenhöhle vermutlich einen Hirntumor. Aufgrund ihrer bereits weit fortgeschrittenen Schwangerschaft wird die Operation so lange wie möglich hinausgeschoben. Die Kinder Bettina und Regine werden im achten Monat mit Kaiserschnitt geholt, einen Monat später wird die Mutter unter Narkose gesetzt; doch obgleich sich die Geschwulst als gutartig erweist, besteht bei der Entfernung derselben die Gefahr erheblicher Hirnschädigungen. Das Operationsteam entscheidet stattdessen, die Geschwulst durch Einsetzen einer Silberklammer, die weitere Blutungen verhindert, an Ort und Stelle zu halten. Klaus Rainer Röhl hat später berichtet, wie mühsam und langsam der Heilungsprozess verlief:
    Zunächst konnte sie den Mund nicht öffnen, die Stirn nicht kräuseln, konnte die Augen nicht parallel von einer Seite zur anderen bewegen – ich habe ein paar kleine Nerven durchtrennt, sagte der berühmte Hirnchirurg Professor Kautzky schulterzuckend, machen Sie sich keine Sorgen, die wachsen rasch wieder zusammen.
    Die Krankheit und deren Folgen (Meinhof wird später oft über Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten klagen) stellen jedochnur eine Unterbrechung in einer beeindruckenden journalistischen Karriere dar. In kürzester Zeit verschafft sie sich die Position der leitenden Kolumnistin in Röhls nun in konkret umgetaufter Studentenzeitung. Aus der Distanz, wenn auch intensiv durchleuchtend und oft polemisch, verfolgt sie die verschiedenen Wendungen der deutschen Tagespolitik: Adenauers heikle Annäherung an die westliche Allianz, die neuerliche Aufrüstung unter amerikanischer Obhut, die verhärtete negative Einstellung zur Anerkennung der DDR und die Versuche, jede Form sozialer Unruhe (einschließlich gänzlich legitimer Streiks) mit den sogenannten »Notstandsgesetzen« im Keim zu ersticken. Von der Position eines beständig zu Worte kommenden Kolumnisten ist es natürlich leicht, Dinge zusammenzufassen und Synthesen zu erstellen, vor allem, wenn die eigene Stellung nicht bedroht ist. Eine sichere bürgerliche Ehe; Mann und Kinder. Ein Kontext, in dem man tätig ist: die deutsche Öffentlichkeit reduziert auf ein Spielfeld, auf dem sich leicht zu identifizierende Akteure bewegen, mit »guten« Adressen und noch besserem Einfluss nach oben in die Hierarchien.
    1963: Ulrike bezieht Stellung für den Rapacki-Plan (den einzigen anständigen Plan für eine künftige Sicherheitsordnung in Europa) und schreibt:
    Für ein atomwaffenfreies Mitteleuropa, für eine militärisch verdünnte Entspannungszone in Mitteleuropa, für ein Mitteleuropa, das Brücke ist zwischen Ost und West. In elf Marschsäulen wird wieder drei Tage lang demonstriert und marschiert. Wer heute noch die Frage stellt: Was kann man denn tun – gegen Atomwaffen, gegen Krieg, gegen eine Regierung, die nicht verhandelt, nur rüstet? –, der kann im Anschluss an diesen Artikel ein Verzeichnis der Adressen finden, wo man sich anmelden kann zum Ostermarsch.
    Zwischen den Appellen und den Demos: Urlaub in Kampen. Ulrike hat den Perückenstock weggeworfen und mit ihm das jungenhafte Verhalten, »hinter dem sie ihre Weiblichkeit zu verstecken suchte« (Klaus). Entsprechend der Mode jener Zeit hat sie ihr Haar in Locken gelegt. Gekleidet in Kostüme von Yves Saint-Laurent und Chanel tanzt sie in Zimmern mit Erkern zum Meer; Gin-Fizz und Orangina ; zu den Tönenvon Dizzy Miss Lizzy und Twist and Shout wippt man mit den Hüften und verschleißt die Schuhspitzen auf blanken Parkettböden.
    Um nicht Gefahr zu laufen, in Konformität zu versinken, legt man sich eine Aura von Illegalität zu. Die Kommunistische Partei, in die Ulrike auf Klaus’ Anraten eingetreten war, ist in der Bundesrepublik noch immer verboten. Somit kann man an freien Abenden und Wochenenden »Grenzüberschreiter« spielen: Genossen im Osten aufsuchen, Genossen, die zwar schlechter gestellt sind als man selbst, für die man aber dennoch tätig ist und deren politische Ziele (»Freiheit im Rahmen eines wahren Sozialismus«) man teilt, und wenn die Grenzpolizei die Kofferraumwinkel gründlicher als gewöhnlich ausgeleuchtet hatte, konnte man mit dem Gedanken spielen, dass

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