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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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Melodram ab, das (1.) eine nächtliche Expedition zu einem zentral gelegenen Friedhof, (2.) eine dramatische Autojagd und (3.) eine rechtswidrige Freiheitsberaubung umfasst …
    Das ist geschehen (die offizielle Version der Wahrheit): Während des Wartens auf die Überprüfung ihrer Urteile waren Andreas Baader und die anderen drei Brandstifter vorübergehend auf freien Fuß gesetzt worden. Die Bedingung für ihre Freilassung war jedoch, dass sie sich zu einem bestimmten Datum wieder zu melden hatten, um ihre Strafe weiter abzusitzen. Das taten sie nicht. Sie beschlossen stattdessen, nach Paris zu fahren. Aus verständlichen Gründen hat die Polizeibehörde erneutes Interesse an den Vorhaben von Herrn Baader et consortes , speziell in Berlin zur Nachtzeit.
    Das ist nicht geschehen (zumindest wird es von obengenanntem Baader et consortes lebhaft bestritten werden): Baader hat von einem anonymen Fremden, im Nachfolgenden »Informant« genannt, erfahren, dass eine ansehnliche Menge Waffen, sämtliche aus der Endphase des Zweiten Weltkriegs, auf einem Friedhof in Buckow vergraben liegt. Nach Konsultationen mit Horst Mahler entschließt sich Baader, dem Tipp, wie es heißt, »nachzugehen«. Maßnahmen: Kontaktaufnahme mit dem Informanten; nächtliche Konsultationen; finanzielle Transaktionen. Zusammen mit Peter Homann und einer Freundin von ihm, einer gewissen Renate Wolff, fahren Baader und »der Informant« nach Buckow, im Kofferraum Brecheisen, Hacken und Spaten. Auf dem Friedhof wird eine ansehnliche Menge Gebeine gefunden; aber keine Waffen.
    BAADER (zum »Informanten«) : Was ist das für eine verdammte Scheiße, in die du uns da reingezogen hast?
    In einer Stimmung, die vom »Informanten« als »aufgebracht« bezeichnet wurde, fuhr Baader von dort weg. Bekannte von Baader wissen zu bezeugen, dass eine »aufgebrachte« Stimmung in seinem Fall üblicherweise mit einem etwas zu heftigen Durchtreten des Gaspedals einhergeht. Somit ist es nicht verwunderlich, dass der Berliner Verkehrspolizei seine wilde Fahrt nach kurzer Zeit ins Auge sticht. Man notiert das Kennzeichen: F-HC 577 , also ein »auswärtiges« Fahrzeug (F steht für Frankfurt). Man ruft die Zulassungsstelle an; das betreffende Fahrzeug ist unter einer gewissen Astrid Proll registriert. Das Strafregister gibt weitere Auskunft: Astrid Proll ist die Schwester des wegen Brandstiftung verurteilten Thorwald Proll . Auf der Karteikarte der Schwester: mehrere Anklagen wegen »Aufwiegelung«, zuletzt in Hamburg bei dem Versuch, die Redaktionsräume der linken Zeitschrift konkret zu stürmen. Man fordert Verstärkung durch weitere Streifenwagen an; dann: das Blaulicht rauf; raus mit der Stoppkelle:
    POLIZEI : Guten Abend, das hier war wohl etwas schnell. Könnten wir vielleicht Ihre Papiere sehen?
    Als die Polizei nach erfolgter Prüfung der (natürlich gefälschten) Personalpapiere auch das Auto selbst in Augenschein nimmt ( Sind Sie so freundlich, den Kofferraum zu öffnen ), begreift Baader, dass er in eine Falle gegangen ist. Der »Informant« ist ein Denunziant, ein Verräter, ein Polizeispion ( Das richtige Schmähwort bitte einsetzen ). Handschellen angelegt; Eskorte zum Einsatzwagen; vorbereiteter Schlafplatz im Polizeiarrest. Am folgenden Morgen (dem 4. April) ruft ein Mann, der sich als Rechtsanwalt Mahler vorstellt, dort an und erklärt, er hätte Kenntnis erhalten, dass diese Dienststelle einen seiner Mandanten – Baader, Andreas Bernd – festgenommen habe und ob er vielleicht ein paar Worte mit ihm wechseln könne? Wachhabender Beamter: Dass es schlimme Finger gibt, wussten wir ja, aber dass der schlimmste von allen ausgerechnet in unserem kleinen Netz hängen geblieben ist, war doch eine angenehme Überraschung. Sagt: Ja, ja sicher, natürlich. Und ruft die Kriminalpolizei an.
    *
    Die Männer der Kriminalpolizei zeichnen sich, genau wie im Film, dadurch aus, dass sie es trotz behaglicher Sommerwärme bevorzugen, einen Trenchcoat zu tragen, und dass sie, im Unterschied zu normalen zivilisierten Menschen, die Gewohnheit haben, auf Stühlen »rittlings« zu sitzen. Das tun sie auch jetzt wieder:
    KRIMINALPOLIZIST : Herr Baader, ist das mit dem Waffendiebstahl auf Friedhöfen verfolgte Ziel ein Teil ihres seit langem weit fortgeschrittenen Plans zur Bildung einer Stadtguerilla?
    BAADER (mit erforderlichem Nachdruck) : Was ist Ihr Eingreifen gegen mich anderes als der unzweideutige Beweis, dass eine solche Guerilla benötigt wird?
    (Zu gleicher Zeit, in

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