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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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in Berlin und haben bestimmte Dinge von uns gefordert. Andreas meint, wir hätten jetzt das eine oder andere von ihnen zu fordern.
    Und das wäre?
    Darüber können wir wohl reden, wenn wir ihn erst aus der U-Haft raus haben. Übrigens sagte Andreas, du hättest da eine Idee …?
    Hör mal, Horst; ich will in nichts hineingezogen werden.
    Wer sagt denn, dass du in was hineingezogen wirst? Können wir uns nicht einfach in aller Ruhe hinsetzen und deine Idee durchdiskutieren?
    *
    Ulrike beim Verleger Klaus Wagenbach. Wagenbach hat sie kürzlich unter Vertrag genommen für eine Buchausgabe ihres Fernsehdokumentarfilms Bambule . Der Grund ihres Besuchs: Meinhof will, dass er einen weiteren Vertrag mit ihr abschließt.
    UM : Ich bin hier, weil ich dich bitten möchte, einen weiteren Vertrag mit mir abzuschließen.
    KW : Ein neues Buch?
    UM : Ja, allerdings nicht von mir.
    KW : Sondern?
    UM : Von Andreas Baader. Wir sind der Ansicht, jemand sollte ihm helfen, über seine Erfahrungen in der Jugendfürsorgearbeit zu schreiben. Darüber hinaus sind wir der Ansicht, dass es verdienstvoll wäre, wenn diese direkt aus der Praxis stammenden Erfahrungen den revolutionären Kollektiven unmittelbar zur Kenntnis gelangten.
    KW : Hier geht es nicht um ein Buch, oder, Ulrike?
    UM : Nein.
    KW : Aber du meinst, ein Buchvertrag könnte helfen?
    UM : Was ich persönlich meine, ist in diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant. Es wurde ein kollektiver Beschluss gefasst, dass wir versuchen müssen, Andreas freizubekommen.
    KW : Und auf welche Weise würde ein Buchvertrag dabei helfen?
    UM : Mit einem solchen könnten wir einen Antrag auf die Durchführung notwendiger Quellenstudien einreichen. Ich habe bereits mit dem Anstaltsleiter, Herrn Glaubrecht, gesprochen und bin mit dem Dahlemer Institut für soziale Fragen in Kontakt gewesen. Dort tut man sich nicht schwer, während Herr Glaubrecht Sperenzchen macht. »Das verstehen Sie doch, Frau Meinhof, dass die Sache durch entsprechende Papiere bestätigt werden muss.« Nach unserer Einschätzung wird Glaubrecht, wenn ein Papier, ein Vertrag vorliegt, Baader diesen Ausgang nicht verweigern können.
    KW : Und dann wollt ihr Baader befreien? Du musst gänzlich von Sinnen sein, Ulrike. Ist das hier wirklich dein absoluter fester Wille?
    UM : Jeder Mensch kann wählen, entweder ein Mensch oder ein Schwein zu sein.
    KW : Das klingt nicht, als hätte ich eine Wahl.
    UM : Du bist ein Kapitalistenschwein, Klaus. Aber dennoch kannst du wählen, kannst dich wie ein Mensch verhalten.
    *
    Zwei Tage nach der Unterzeichnung des Vertrags (am 12.5. ) kommt der Bescheid vom Leiter der Tegeler Anstalt: Für den Strafgefangenen Andreas Bernd Baader wird eine einmalige Ausführung bewilligt zum Quellenstudium im Institut für soziale Fragen, Miquelstraße 83, Berlin-Dahlem. Zeitpunkt der bewilligten Archivstudien: Donnerstag, der 14. Mai 1970, 9.00-13.00 Uhr.
    Beim Eintreffen des Bescheids ruft Ulrike sofort ihre Freundinnen, Irene Goergens und Ingrid Schubert, an; fragt, was sie an diesem Donnerstag vorhaben – es ist ohnehin der Tag, an dem sie sich zu treffen pflegen, um, wie Ingrid es ausdrückt, Ideologie zu schnacken . Sie erwidern, dass sie nichts Besonderes vorhaben. Ulrike bittet die beiden, sich mit der Friseuse Petra Schelm in Verbindung zu setzen und sich bei ihr nach einer Möglichkeit zu erkundigen, ganz schnell Perücken zu besorgen , ruft anschließend ein paar »alte Freunde« an und verabredetsich mit ihnen für den folgenden Tag »im Pavillon« in Wannsee. (Es geht um die Kinder, sagt sie; und: Versprecht mir, Röhl nichts zu sagen.)
    *
    (Berlin-Wannsee, 13.5.1970)
    Starkes Sonnenlicht über der Parkanlage; abgeschwächt durch einen leicht gelblichen Dunst, der von den Fabrikanlagen auf der Ostseite herrührt. Die Kinder spielen draußen auf dem lädierten Rasen. Ulrike sitzt unter einem Sonnenschirm und redet mit den beiden Personen, mit denen sie sich verabredet hat und die der Schatten des Schirms verbirgt: Sie gehören dem sogenannten »Umfeld« an, dem immer größeren Kreis von Sympathisanten, die nirgends ans Licht treten werden. Die Stimme, mit der sie spricht, ist den beiden absolut vertraut (Wie also sollten sie etwas argwöhnen?): dieselbe Eindringlichkeit, derselbe auf die Tischplatte gerichtete Blick, dasselbe nervöse Hantieren mit der Folienhülle der Zigarettenschachtel.
    Es geht nur um ein paar Tage, ich hätte euch niemals gebeten, euch um sie zu kümmern, wenn es um eine

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