Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
neben die beiden und nahm ihre Hände in seine. »Ihr seid sehr stark. Ihr habt Scurr gemeinsam bezwungen. So etwas ist in vielen tausend Jahren niemandem gelungen. Scurr und seine Schatten sind geflohen.«
Nun jubelten alle, nur Ariac sah sehr unglücklich und nachdenklich aus.
»Du solltest jetzt ein wenig schlafen«, schlug Nelja vor. »Die Wunde tut sicher weh.«
Ariac nickte zögernd. Sicher, sein ganzer Rücken schmerzte wahnsinnig, aber viel schlimmer war, dass er Rijana beinahe getötet hatte.
Sie lächelte ihn jedoch liebevoll an und breitete ihren Umhang über ihn.
»Nelja hat Recht. Schlaf jetzt, ich bleibe bei dir.«
Ariac wollte jetzt nicht schlafen, er musste über so vieles nachdenken, doch der Trank, den Nelja ihm gegen die Schmerzen gegeben hatte, war wohl auch ein Schlaftrank gewesen. Ihm fielen einfach die Augen zu.
Kurze Zeit später kam Tovion angeritten. Nelja umarmte ihn erleichtert. Er war blutüberströmt, doch das war zum größten Teil nicht sein eigenes, er selbst hatte nur einige oberflächliche Kratzer abbekommen.
»Sie sind nach Süden geflohen, wahrscheinlich nach Balmacann«, erzählte er und erstarrte, als er Ariac am Boden liegen
sah. Seine Freunde erzählten ihm die ganze Geschichte, und er staunte ebenso wie alle anderen.
»Deswegen sah Scurr so wütend aus«, sagte Tovion und nahm dankbar einen Wasserschlauch an. »Ich konnte ihn ganz aus der Nähe sehen.« Er schauderte. »Der Kerl hat wirklich eine unheimliche Ausstrahlung.«
KAPITEL 6
Vereint und doch entzweit
E s war schon spät in der Nacht, als Ariac aufwachte. Rijana schlief neben ihm und hatte seine Hand in ihrer. Ariac fuhr sich über das Gesicht. Er konnte noch immer nicht glauben, dass er sie um ein Haar umgebracht hätte. Vorsichtig löste er seine Hand und legte Rijana seine Decke über. Dann erhob er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Seine Wunde tat höllisch weh. Langsam humpelte er durch das schlafende Lager und blickte zum Rand der Steppe. Es war schwülheiß, in der Ferne zuckten die fernen Blitze eines Sommergewitters.
Als sich eine Hand auf seine Schulter legte, fuhr er zusammen. Es war Nelja. Sie sah müde aus, denn sie hatte vielen Verletzten geholfen. Aber trotz ihrer Heilkünste waren einige nicht mehr zu retten gewesen.
»Wie geht es dir?«
»Du hast das gut hinbekommen«, antwortete er und deutete auf den Verband.
Nelja lächelte müde. »Das habe ich nicht gemeint.«
Seufzend lehnte Ariac sich an einen Felsen. Ihm war etwas schwindlig.
»Ich verstehe das nicht. Wie kann ein Mensch die Kontrolle über einen anderen gewinnen?«
»König Scurr ist böse. Er wollte wohl, dass du ihm um jeden Preis dienst. Aber offensichtlich hatte er keinen Erfolg. Du hast gesiegt.«
Ariac lachte bitter auf. »Ich habe Rudrinn beinahe umgebracht
und Rijana auch. Wer weiß, wie viele Unschuldige vorher durch mein Schwert gestorben sind.«
Nelja nahm seine Hand: »Versuch, das zu vergessen. Wir waren alle am Boden zerstört, weil wir dachten, du wärst tot. Wir haben dein Schwert zwischen den ganzen Leichen gefunden. Rijana wäre fast verrückt geworden.« Nelja lächelte. »Sie hat die ganze Zeit behauptet, du würdest noch leben, doch niemand hat ihr geglaubt. Am Ende behielt sie Recht.«
Ariac ließ sich zu Boden sinken.
»Und ich hatte gehofft, ihr befreit mich aus Ursann«, flüsterte er kaum hörbar.
»Wir wussten nicht, dass du noch lebst«, erwiderte Nelja ernst. »Sonst hätten wir dich befreit, das musst du mir glauben.«
»Es wäre besser gewesen, wenn Scurr mich getötet hätte.«
»Ariac!«, rief Nelja entsetzt. »Warum sagst du denn so etwas?«
»Ich bin eine Gefahr für euch. Das hast du doch selbst gesehen.«
»Das ist nicht wahr. Es war allein Scurrs Schuld, du kannst nichts dafür.«
Ariac vergrub sein Gesicht in den Händen, er wusste nicht mehr weiter.
»Zeig mir deinen Rücken«, verlangte Nelja nach einer Weile, aber Ariac reagierte nicht.
»Jetzt komm schon, ich möchte sehen, ob sich die Wunde entzündet hat.«
»Hat sie nicht«, murmelte er.
Aber Nelja zog ihm einfach resolut das Hemd hoch. Doch dann erschrak sie. Zuvor hatte sie in der Eile nur den Bolzen entfernt und etwas Salbe auf die Wunde geschmiert, aber jetzt sah sie die vielen halbvernarbten Striemen und Prellungen, die er hatte.
»Bist du ausgepeitscht worden?«, fragte sie entsetzt.
Ariac nickte und wollte das Hemd wieder herunterziehen, doch Nelja hielt ihn auf. »Warte, ich habe eine Salbe dafür.«
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