Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
immer wieder Befehle.
Die restlichen neunzig Kinder, die gerade keinen Unterricht hatten, liefen lachend und sich immer wieder anstoßend hinter Rijana und Rudrinn her. Die beiden Neuankömmlinge wurden nun auf einen Fluss zugetrieben, der den westlichen Hügeln entsprang. Rijana wollte etwas fragen, doch Falkann war plötzlich verschwunden.
»Wo führen die uns denn hin?«, fragte Rudrinn ungehalten und drehte sich um.
Sie näherten sich einem sehr felsigen und kargen Berg, der in der Mitte gespalten war. Eine Schlucht teilte den Felsen in zwei Hälften. Alle kletterten hinauf. Hier oben wehte ein starker Ostwind.
»So«, erklärte einer der ältesten Jungen, der aus Gronsdale kam, »ihr müsst über die Schlucht springen oder balancieren. Das ist eine Mutprobe, damit ihr offiziell aufgenommen werdet.«
»So ein Blödsinn«, knurrte Rudrinn, nahm jedoch Anlauf und sprang mit Leichtigkeit über den Spalt zwischen den Felsen, unter dem ein wild schäumender Bach rauschte. Kurz darauf war er auf der anderen Seite angekommen.
Rijana schluckte. Ihre Beine waren viel zu kurz, um hinüberzuspringen. Zögernd ging sie auf den schmalen Baumstamm zu, der über dem Felsspalt lag, schloss kurz die Augen
und blickte in die Tiefe. Ihr wurde schwindlig, doch sie wollte sich nicht vor den anderen blamieren und balancierte mutig hinüber. Die Kinder klatschten laut, als sie wieder bei ihnen war.
»Sehr schön«, verkündete der große Junge, »dann gehen wir jetzt hinunter zum Fluss.«
Die ganze Gruppe machte sich an den Abstieg. Auf einer mit Blumen übersäten Wiese gingen sie näher ans Ufer heran. Ganz überraschend wurden Rudrinn und auch Rijana von jeweils zwei älteren Jungen gepackt.
»Hey, was soll das?«, schrie Rudrinn, während er um sich trat. Zwei weitere Jungen mussten zu Hilfe kommen.
Ein relativ kleiner, breiter Junge, der bereits den Flaum eines beginnenden Bartes im Gesicht hatte, rief lachend: »Auf in den Fluss!«
Ehe sich Rijana und Rudrinn versahen, landeten sie mit einem lauten Platschen in dem eiskalten Wasser. Beiden blieb kurz die Luft weg. Die kleine Rijana wurde ein wenig flussabwärts getrieben, während Rudrinn bereits wutschnaubend ans Ufer schwamm, hinauskletterte und dem erstbesten Jungen ein blaues Auge verpasste.
Rijana schluckte immer wieder Wasser, aber zum Glück konnte sie schwimmen und kam ganz langsam ans Ufer. Falkann tauchte heftig atmend auf. Er war Rijana hinterhergerannt und streckte ihr nun die Hand entgegen, um ihr ans Ufer zu helfen. Doch Rijana ignorierte diese freundliche Geste und kletterte zitternd, klatschnass und wütend das steinige Ufer hinauf, wobei sie sich ein Knie aufschürfte.
Falkann hielt ihr seinen Umhang hin. »Jetzt komm schon«, sagte er, »sei nicht beleidigt. Das ist bei uns schon seit über hundert Jahren Tradition, nun gehörst du zu uns.«
Rijana schnaubte verächtlich und begann mit tropfenden Kleidern in Richtung Schloss zu laufen. Falkann folgte ihr und hielt sie an.
»Ich bin vor über neun Jahren auch im Wasser gelandet«, er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, »und ich hatte nicht so viel Glück wie du, denn ich bin im Frühling angekommen, es hat sogar noch Schnee gelegen. Ich hatte Eiszapfen an der Nase, als ich wieder zurück im Schloss war.«
Daraufhin musste Rijana lachen, nahm den angebotenen Umhang an und wickelte sich hinein.
»Blöde Tradition«, sagte sie niesend. »Wie viele sind denn schon dabei ertrunken?«
»Oh, es hält sich in Grenzen«, erwiderte Falkann verschmitzt.
Schon von weitem hörte man Rudrinn schimpfen und toben. Er schlug wild um sich und schien sich gar nicht mehr zu beruhigen. Rijana lief auf ihn zu und stellte sich vor den tobenden Piratenjungen.
»Rudrinn, hör auf, das ist Tradition. Alle, die hier stehen, sind schon im Wasser gelandet«, rief sie laut, und nach kurzer Zeit hielt Rudrinn tatsächlich inne.
Er blickte das kleinere, tropfnasse Mädchen überrascht an und rief dann mit wütend gerunzelter Stirn: »Wenn ihr noch einmal so etwas macht, ihr verfluchten Bastarde, dann reiße ich euch die Gedärme raus und verfüttere sie an die Aasgeier!«
Vielen der Kinder, die größtenteils aus Adelshäusern stammten, entfuhren empörte Ausrufe, aber einige, die in Schenken oder ärmeren Dörfern aufgewachsen waren, grinsten verständnisvoll. Auch der Junge, dem Rudrinn ein Veilchen verpasst hatte, kam lachend näher und schlug dem Piratenjungen auf die Schulter.
»Jetzt komm schon, ein bisschen
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