Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
viel Blut verloren. Irgendwann rollte er sich unter einem Felsvorsprung zusammen und hoffte, dass ihn kein Ork fressen würde – er konnte einfach nicht mehr. Er nahm den Stein, den Rijana ihm vor langer Zeit gegeben hatte, und klammerte sich daran fest.
Vielleicht kann ich weiter, wenn ich mich ein wenig ausgeruht habe , dachte er, bevor er einschlief.
Worran stellte am nächsten Morgen fest, dass Ariac noch immer nicht eingetroffen war, doch er kümmerte sich nicht weiter darum. Insgeheim hoffte er sogar, dass er gar nicht mehr zurückkommen würde. Lugan hatte gestanden, dass Ariac verletzt war, und Worran hatte ihn dafür noch gelobt. Erst König Scurr brachte den brutalen Ausbilder am nächsten Abend in Bedrängnis.
»Wo ist der Steppenjunge?«, fragte er beim Abendessen.
Worran hielt inne. »Er ist noch in den Bergen.«
Scurr hob missbilligend die Augenbrauen und winkte einige Soldaten zu sich. »Sucht ihn!«, befahl er.
Die Soldaten mussten nicht weit ausschwärmen, um Ariac zu finden. Der hatte sich inzwischen halbtot bis ans Tor geschleppt. König Scurr tobte vor Wut, denn den Heilern war es nur mit äußerster Not gelungen, den Jungen zu retten.
»Verdammt, ich sagte doch, dass du ihn am Leben lassen sollst, bis er siebzehn ist«, sagte er mit gefährlich leiser Stimme zu Worran.
»Ich habe doch nichts davon gewusst … Ich …«, stammelte der Ausbilder.
Scurr packte ihn am Hemd. »Noch ein Mal, und ich werde dich persönlich töten.«
Zwei weitere Jahre vergingen, ohne dass auf Camasann ein weiterer auserwählter Krieger in Erscheinung getreten war, was König Greedeon maßlos ärgerte. Vor allem, seitdem er gehört hatte, dass nun auch Scurr einen Jungen hatte, wollte er nicht noch einen der Sieben an den finsteren Herrscher verlieren.
Doch das nächste Jahresfest stand bereits vor der Tür, und die Hoffnung, in den eigenen Reihen einen der legendären Sieben zu entdecken, stieg ins Unermessliche. Diesmal waren es nur fünf Jungen.
Und Rudrinn war einer von ihnen. Natürlich verkündete er mal wieder lautstark, dass er jetzt endlich auf die Meere zurückkehren könne. Saliah, die mit ihren fünfzehn Jahren nun eine wirkliche Schönheit war, stupste ihn in die Seite.
»Dann müssen die Königreiche ja bald vor dir erzittern!«
Rijana lachte laut auf. Sie war dreizehn Jahre alt und dachte nur noch selten an ihre frühere Heimat. Sie hoffte, dass Rudrinn blieb, denn er war ihr ein guter Freund geworden.
Tovion stand gemeinsam mit Nelja etwas abseits. Es war ein offenes Geheimnis, dass er in das schwarzhaarige Mädchen verliebt war. Auch zwischen Saliah und Falkann hatte sich eine schüchterne Liebe angebahnt, auch wenn Falkann nun schon zwanzig war und immer noch Hemmungen hatte, der jüngeren Saliah den Hof zu machen.
Die Jungen gingen nacheinander zu den Schwertern und berührten sie ehrfürchtig. Auf manchen Gesichtern war Enttäuschung, auf anderen Erleichterung zu sehen, als das Schwert schwieg. Dann kam Rudrinn an die Reihe. Natürlich schlenderte er betont gelangweilt hinauf und machte ein unwilliges Gesicht. Er packte das Schwert am Griff und stolperte entsetzt zurück. Die Runen leuchteten.
Die Zauberer atmeten erleichtert auf. Sie hatten ein weiteres von Thondras Kindern bei sich. Doch Rudrinn ließ das Schwert fallen, als hätte er sich die Hände verbrannt. Er rannte ohne aufzublicken aus dem hohen Saal hinaus. Broderick war der Erste, der ihm folgte. Er wusste, wo er ihn suchen musste. Und tatsächlich hatte er richtig vermutet. Rudrinn war ans Meer geflohen, das ihm jetzt für immer genommen war. Es war ein kalter, dunkler Abend, und es nieselte, aber Rudrinn schien das nicht zu bemerken. Er saß auf dem Felsen und starrte auf das schäumende Meer unter ihm.
Broderick setzte sich neben ihn und wollte ihm eine Hand auf die Schulter legen, doch Rudrinn fuhr wütend herum.
»Ich will das nicht, und ich kann das nicht. Ich werde zurück zu den Piraten gehen.«
Broderick seufzte und blickte den Freund nachdenklich an. Er konnte Rudrinn gut verstehen.
»Weißt du«, begann er, »eigentlich wollte ich vor zwei Jahren auch zurück nach Errindale gehen, um das Gasthaus zu besuchen, in dem ich aufgewachsen bin. Ich wollte ein Bauer oder so etwas werden.«
Überrascht blickte Rudrinn auf. Das hatte Broderick noch nie erwähnt. Er war immer so lustig und unbeschwert.
»Und warum hast du es nicht getan?«, fragte Rudrinn mit Zorn in der Stimme, während er kleine Steine ins
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