Thorn - Die letzte Rose
was man im BLUE MOON ausschenkte.
Doch auch dies war noch nicht ihr Ziel. Durch eine weitere Tür befahl er sie in einen anderen Korridor, von dort aus in einen Kühlraum und wieder hinaus. Sie erreichten eine Metallleiter, die nach oben führte. Der Wirt stieg voraus und schob eine Abdeckung über sich beiseite, sodass sie in einen weiteren Hinterhof gelangten.
Währenddessen hatte die Rosenritterin nur geschwiegen. Nicht nur weil sie nicht sprechen konnte, sie hatte auch entschieden, mit ihren Kräften zu haushalten, bis sie herausgefunden hatte, was es mit dieser seltsamen Entführung auf sich hatte.
Immerhin: Jules’ Worten zufolge schien ihr keinerlei Gefahr zu drohen, er wollte sich offenbar lediglich ihrer Dienste sichern, und das um jeden Preis. Ablehnen konnte, durfte man dieses Angebot nicht, also versuchte man erst gar nicht, sich gütlich zu einigen.
Trotzdem stieg ihre Stimmung die letzten Stufen zum Zorn hoch; sie hasste nichts mehr, als zu etwas gezwungen zu werden. Inklusive selbst wenn sie ‚meine Liebe’ genannt wurde.
Auf dem Hof stand eine schwarze Limousine. Nicht irgendeine, sondern ein waschechter Leichenwagen. Erwartungsgemäß bat Jules sie hinein, auf den Beifahrersitz, ihre Schwerter legte sie weisungsgemäß auf den Rücksitz. Trotz ihrer wackligen Beine gehorchte sie auch diesmal, weil sie gar nicht anders konnte.
Und mittlerweile wollte sie auch nicht anders, mittlerweile war sie viel zu neugierig geworden, als dass sie einen Rückzieher gemacht hätte, wäre sie vor die Wahl gestellt worden..
Immerhin, die Nacht begann vielversprechend: Jetzt wusste sie, weshalb die Mondvampire verschwunden waren. Fehlte nur noch, Susanna zu finden und sie zu befreien.
Jules setzte sich hinters Steuer, drehte die Zündschlüssel um, schaltete die Scheinwerfer ein und fuhr los.
„Ich weiß, Sie hören mich, Cassandra“, ergriff er das Wort, ohne dass sich sein Blick von der Straße abwandte, „und ich kann mir denken, was Sie von mir halten.“
Das konnte er nicht. Ansonsten wäre er auf der Stelle wie eine Dörrpflaume verschrumpelt.
„Aber ich bin kein so schlechter Kerl, wie Sie vermuten.“ Umständlich holte er mit der Rechten ein Zigarettenpäckchen aus seiner Hemdtasche, machte es auf und nahm mit den Zähnen eine Fluppe heraus. Das Päckchen steckte er zurück und holte dafür ein Feuerzeug hervor, ließ es aufblitzen. „Mein ganzes Leben hab ich mit Vampiren wie euch verbracht.“ Sein Lachen nahm einen bitteren Klang an. „Ich hab euch bewundert, weil ihr nicht älter werdet. Weil ihr nicht krank werdet ... Aber ich hatte Angst davor, mich zu einem von euch machen zu lassen.“
Überraschend spürte Thorn ein Kribbeln in ihren Fingerspitzen. Als hätte sie an einen schwach geladenen elektrischen Zaun gegriffen.
„Vor einem Monat hat mir dann mein Arzt gesagt, ich habe Lymphdrüsenkrebs. Können Sie sich vorstellen, wie elend man krepiert? Nein, können Sie nicht, ich kann’s auch nicht, denn ich habe dem Sensenmann ein Schnippchen geschlagen. Trotzdem hab ich keinen von euch gebeten, mich zu infizieren. Eure Vorliebe für Blut ist mir immer noch suspekt.“
Das Kribbeln in ihren Fingern wurde stärker und griff auf die Hand über. Gleichzeitig tauchte es auch noch in ihrer anderen Hand auf und in den Zehenspitzen.
„Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, gesund zu werden“, fuhr er fort und stieß dabei heftige Rauchschwaden aus. „Man hat mich in die Magie eingeführt. Oder wenigstens daran schnuppern lassen.“
Deshalb also besaß er den grünen Stein! Er war nicht zum Vampir geworden, sondern hatte sich in die schwarzmagischen Künste einführen lassen.
„Dafür muss ich mich natürlich erkenntlich zeigen. Aber keine Sorge!“ Beruhigend tätschelte er Thorns Oberschenkel, am liebsten hätte sie ihn dafür seinen Glimmstängel fressen lassen. „Sie werden nichts tun müssen, was Sie nicht wollen.“
Tief atmete Thorn durch und beschloss, Jules reden zu lassen, solange er wollte und ihr durch sein Geschwafel nicht die Ohren abfielen. Das Kribbeln in Händen und Füßen schien vielversprechend zu sein, fast hatte es den Anschein, als gelinge es ihr langsam, den sinistren Bann abzustreifen.
„Ihnen passiert ebenso wenig was wie den anderen vom Pack“, erläuterte er. „Wir brauchen Sie! Das heißt, meine Meisterin braucht Sie.“
Thorn beschloss, sämtliche Kraft zu mobilisieren und fokussierte ihre gesamte Aufmerksamkeit. Tatsächlich schaffte sie es,
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