Thorns of Darkness 01 - Dark
setzte mich an meinen Platz. Wie die Mahlzeiten zuvor war der Platz mir gegenüber gedeckt, jedoch leer.
„Was möchtest du heute tun?“, fragte Grandpa und häufte sich einen Nachschlag von dem Rührei auf seinen Teller.
„Ich weiß noch nicht“, antwortete ich. „Ich werde vielleicht ein wenig fischen gehen.“
Die Tür öffnete sich und alle wandten den Kopf. Eine zierliche Frau betrat den Raum. Sie hatte ihre Haare zu einem altmodischen Knoten geschlungen, auf ihrer Nase thronte eine groteske Brille mit dicken Gläsern. Das Gesicht war mit roten Flecken übersät. Sie trug ein viel zu großes Männerhemd und weite Hosen. Ich hörte die unterschiedlichsten Reaktionen der Männer an diesem Tisch, von entsetztem Luftschnappen bis hin zu unterdrücktem Gekicher. Meine Mundwinkel kräuselten sich, als ich beobachtete, wie sie sich mir gegenüber setzte, ohne jemanden anzusehen.
„Gee!“, rief Grandpa entsetzt aus. „Was ist das nun schon wieder für ein Tick? Wieso trägst du diese Brille und was ist mit deinem Gesicht passiert? Antworte mir, Mädchen.“
„Ich kann besser sehen mit Brille“, antwortete sie, den Blick fest auf ihren Teller gerichtet. „Und ich habe ... Ausschlag.“
„Wovon?“, verlangte mein alter Herr zu wissen.
Sie zuckte mit den Achseln.
„Keine Ahnung. Auf einmal war er da.“
Claude, mit dem ich mich ein wenig angefreundet hatte, brach in lautes Gelächter aus, was ihm einen scharfen Blick von meinem Grandpa einbrachte. Ich räusperte mich, um mein eigenes Lachen zu verbergen.
„Ich möchte dich nach dem Frühstück in meinem Büro sprechen“, sagte Grandpa und mein leises Lachen erstarb, als ich sah, wie Geena erschrocken zusammenzuckte. Für den Bruchteil einer Sekunde blickte sie auf und was ich in ihren Augen sah, ehe sie wieder auf ihren Teller starrte, gefiel mir ganz und gar nicht. Angst! Sie hatte Angst. Panische Angst und ich fragte mich, wovor oder vor wem und warum?
„Kann ich dich zuvor kurz sprechen?“, fragte ich aus einem Impuls heraus.
Mein alter Herr richtete den Blick auf mich. Er sah mir fest in die Augen, dann nickte er und widmete sich wieder seinem Essen.
Nach dem Frühstück ging ich hinter Grandpa die Treppe hinauf. Schweigend betraten wir sein Büro. Ich nahm auf einem der Sessel Platz und er setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Ich wartete, bis er sich eine Zigarre angezündet hatte und mich anblickte.
„Du wolltest mich sprechen. Hier sind wir.“
Ich lehnte mich in dem Sessel zurück und überlegte, wie ich anfangen sollte.
„Ich möchte dich bitten, das Gespräch mit Geena zu verschieben. Vorerst. Ich ...“
Grandpa hatte sich über den Schreibtisch gebeugt und starrte mich an.
„Gibt es etwas, was ich wissen sollte?“, fragte er. „Gibt es einen Grund dafür, dass sie anscheinend alles versucht, um dir auszuweichen? Ganz zu schweigen von dieser absurden Maskerade eben?“
„Ich habe sie nicht angerührt, wenn du das meinst“, versicherte ich schnell. „Aber es scheint wirklich so, dass sie mir ausweicht, und ich ... ich möchte nicht, dass sie von irgendjemandem hier gedrängt wird, etwas zu tun, wozu sie ganz offensichtlich nicht bereit ist. Ich kann mich erinnern, dass sie als Kind schon immer vor mir weggelaufen ist. Ich hab keine Ahnung, warum, doch ich hab ihre Angst gesehen, als du ihr eben gesagt hast, dass du mit ihr reden willst.“
„Hm“, machte Grandpa und setzte sich wieder in seinen Sessel zurück. „Ja, sie war früher schon so. Aber es hatte sich gebessert. Sie hat gut mit den Jungs hier zusammengearbeitet. Ich möchte wissen, warum sie plötzlich wieder in ihr altes Muster verfällt, ausgerechnet wenn du hier auftauchst!“
„Was ist mit ihr?“, wollte ich wissen. „Warum ist sie so schreckhaft? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie auch nur einmal sprechen gehört habe, als sie ein Kind war.“
„Sie hat eine schwere Kindheit hinter sich“, erklärte mein alter Herr. „Eines Tages tauchte sie hier auf. Versteckte sich im Stall und haute ab, sobald man sie entdeckte. Ich hielt ein Auge auf sie, beobachtete, was sie tat, wenn sie sich unbemerkt glaubte. Sie hatte einen guten Draht zu Pferden, das konnte ich sehen. Sie ging gezielt zu den schwierigsten Tieren und die schienen sie zu akzeptieren. Eines Tages stellte ich sie, wo sie mir nicht abhauen konnte. Sie war vollkommen panisch. Ich versicherte ihr, dass ich ihr nichts tun wollte, und fragte sie, ob sie Lust hätte, Reiten zu
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